28.02.2009: 22. Kurzmeldung (03:16 Uhr MEZ)
Fahren schon 700 km(!) mit 0,4-0,6 bar auf den Wranglern MT/R. Durchschnittliche Geschwindigkeit 5-25 km/h. Fahrzeuggewicht ca. 3,5 t plus Anhänger. Keinerlei Beschädigung oder Schwächung zu erkennen. Aktuelle Position in einem engen Tal nach der Wetterstation. Vorankommen gut.
28.02.2009: 23. Kurzmeldung (08:00 Uhr MEZ)
Habe mir beim Durchstoßen einer großen Schneewehe meinen Unterfahrschneeschutz abgerissen. Haben gerade eine 5 stündige Reparatur hinter uns gebracht. Ätzend. Sind bei GPS-Koordinaten: N 68 22`51" / E 174 58´12"
Fahren weiter. Einsetzender Schneefall. Team angespannt. Fahrzeuge sonst einsatzbereit.
28.02.2009: 24. Kurzmeldung (16:01 Uhr MEZ)
Kämpfen uns durch dichtestes Schneetreiben, Kilometer für Kilometer. Konnten bisher nicht anhalten, sonst wären wir morgen früh eingeschneit. Haben versucht Schutzhütte rund 200 km von Wetterstation entfernt zu erreichen aber nicht geschafft. Schneeverwehungen sind zu extrem. Haben uns eben noch 2 Stunden durch eine Steigung geschaufelt. Team schläft jetzt. Ich versuche mit F1 ohne Trailer noch durch Schneewehen zu kommen um hier oben nicht eingeschneit zu werden. Luftdruck 0,2 bar. Kraftstoffreserven ok, Essen ok, Team/Fahrzeuge ok.
Aktuelle GPS-Koordinaten: N 67 52´45“ / E 176 05´46“
01.03.2009: 25. Kurzmeldung (02:19 Uhr MEZ)
Haben 4 Stunden geschlafen. Dann wieder Plackerei ohne Ende. Die nächsten schweren Steigungen, sind jetzt ca. 500m von der ersten Passhöhe entfernt, schaufeln und winchen seit Stunden. Geht nur so: F1 rückwärts versuchen hochzukommen, wenn geschafft Spur brechen nach unten, dann T1 hoch, dann F1 zurück und F2 Gespann absichern oder hoch winchen…
Meldung überholt vor dem Absenden: Haben soeben mit beiden Gespannen erste Passhöhe erreicht! Die Pacific Ocean Wasserscheide!
GPS-Koordinaten: N 67 52´23“ / E 176 05´51“
01.03.2009: 26. Kurzmeldung (06:08 Uhr MEZ)
Haben auch zweiten Pass überwunden. Sind jetzt vor drittem Pass. Wetter hat aufgeklart. Exakt wie vom Deutschen Wetterdienst vorausgesagt haben wir ab heute Mittag einen kurzen Hochdruckeinfluss in unserem Fahrgebiet. D.h. seit Tagen sehen wir zum ersten Mal wieder die Sonne. Schutzhütte noch nicht erreicht.
Sind jetzt bei GPS-Koordinaten: N 67 40‘11“ / E 176 39‘53“
01.03.2009: 27. Kurzmeldung (10:18 Uhr MEZ)
Haben Schutzhütte 30 km vor drittem Pass erreicht. Hier ist ein Bulldozer stationiert. Müssen überlegen wie es weiter geht. Der Pass ist zugeschneit. Laut dem Dozerfahrer keine Chance durchzukommen. Er hat den Pass heute Morgen freigeschoben, über 5m Schneehöhe. Allerdings direkt hinter ihm durch starken Wind wieder zugeweht. Hat jetzt keinen Sprit mehr, nur soviel, dass Dozer nicht abgestellt werden muss. Kann den Pass nicht nochmals frei machen. Kraftstoff trifft erst in ca. 5 Tagen ein. Sche***.
Die beiden Männer, die hier seit 5 Jahren in der Einsamkeit leben, sind sehr freundlich. Haben warmes Essen erhalten und Infos ausgetauscht. Zwei LKW mit insgesamt 20 Personen an Bord, die einige Tage vor uns gefahren sind, sind bisher nicht in Valonisti (Mine rund 170 km Richtung Egvekinot von dieser Schutzhütte entfernt) eingetroffen. Man versucht rauszufinden wo sie sind. Eine Kommission, die von Egvekinot Richtung Pevek aufgebrochen ist, steht rund 250 km von hier und kann ebenfalls nicht weiter. Wir werden jetzt die Nacht hier bleiben und morgen versuchen den Pass zu erreichen. Dann sehen wir was geht und was nicht. Könnte schlimmstenfalls bedeuten, dass wir aufgrund der Stürme hier festsitzen.
Diese Gegend hier ist wirklich Wahnsinn. Gigantische Weiten, teilweise Schneeverwehungen der Größenordnung eines Hauses.
Ansonsten: Team erschöpft aber wohlauf, Kraftstoffreserve 500 Liter plus zwei halbe Haupttanks, Essensreserve ok, Fahrzeuge ok - auch wenn ich heute einen sehr harten Einschlag mit F1 in eine Wehen zu verzeichnen hatte und ein Abrutschen in den Graben.
GPS-Koordinaten: N 67 29´57“ / E 176 41´49“
02.03.2009: 28. Kurzmeldung (00:09 Uhr MEZ)
Heute Morgen hatte Schutzhütten-Team Funkkontakt nach Valonisti, nachdem die Verbindung gestern Abend immer wieder abgerissen ist. Hörten dass ein Rettungstrupp auf dem Weg zu den zwei eingeschneiten Trucks ist, die vor uns sind. Die Rettungsmannschaft ist um 4 Uhr heute Morgen aufgebrochen und hat in 5 Stunden 30 km geschafft.
Wir brechen jetzt auf um die Gelegenheit zu nutzen. Wenn wir es nicht schaffen, ist ein Rettungstrupp wenigsten in der Nähe. Haben jetzt noch 170 km bis Valonisti vor uns. Während des Funkverkehrs bat man uns - sollten wir die Eingeschneiten vor dem Rettungsteam erreichen - um Kontaktaufnahme per Satellitentelefon um eine Einschätzung zu erhalten wie es den Personen geht.
02.03.2009: 29. Kurzmeldung (06:37 Uhr MEZ)
Haben soeben nach 6,5 Stunden schaufeln und winchen bei bestem Wetter die von der Schutzhütte 19km entfernte Passhöhe des sogenannten dritten Passes nach Pevek erreicht. Geil!
Ein schier unglaubliche schönes Panorama hier oben! Die Spuren des Dozers waren stark zugeweht. Lediglich die 3-4 Meter tiefen "Tunnel", die er gegraben hatte, waren noch nicht zu. Luftdruck F1 0,2 bar vorne und hinten. Temperatur ca. -35°C. Da wir unterwegs aus meinen beiden Dachtanks und meinem Hecktank durch Schrägstellen des Fahrzeugs so ziemlich die letzten Liter rausgeholt haben, haben wir immer noch 500 l Kraftstoffreserven plus je einem halben Tank.
GPS-Koordinaten: N 67 21´07“ / E 176 49´0“
02.03.2009: 30. Kurzmeldung (15:57 Uhr MEZ)
Haben soeben den 1000sten Kilometer härtester Offroad-Strecke, Schnee und Eis mit Temperaturen niemals höher als -20°/max. -56°C mit 0,5 bar oder weniger mit den 8 MT/Rs an den beiden Fahrzeugen ohne jeden Schaden gefahren!!!! Danke Goodyear!
Sind durchgekommen bis zu der Stelle wo die Trucks eingeschneit gewesen sein mussten. Die Spuren, die wir sahen deuteten darauf hin, dass sie als erstes von einem russischen Kettentransportfahrzeug erreicht worden sein mussten. Ca. 10 km weiter trafen wir dann auf das größte CAT Kettenfahrzeug der Welt - einen D10. Wirklich unglaubliche Dimensionen. Alleine der Fahrerkabinenboden befindet sich in gut 4 Metern Höhe. Der Einfachheit halber zieht er hinter sich einen riesigen Schlitten her, der gleichzeitig ein Haus, ein riesiges Tanklager und Schneepflug ist.
Da der D10 die Strecke schon einmal befahren hat, entschieden wir uns - wie die befreiten Trucks es auch taten – ihn zu überholen. Sind nun auf immer noch schwerer Strecke noch rund 25 km von Valonisti entfernt. Stecken in extrem starken Schneesturm. Keine 1-2m Sicht. Haben uns im "Whiteout" unter größten Anstrengungen noch eine Steigung hochgekämpft um eine sichere Position zu haben und nicht von Schneemassen eingeschneit zu werden. Weiter kommen wir nicht, da vor uns jetzt die Ural Trucks stecken und die Strecke blockieren. Müssen auf Dozer warten, der die Trucks freischaufelt. Haben sichere Position auf Bergrücken, Kraftstoffreserve 320 l und 2 halbe Tanks, Essensreserve ok, der Sturm wütet derart, dass man kaum stehen kann. Man wird umgeweht oder fällt hin. Irre, das Team ist zwar erschöpft und sehr angespannt aber wir haben deutlich an Sicherheit gewonnen. Die Entscheidung heute aufzubrechen hat sich als absolut richtig erwiesen. Wir haben in meinen Augen die einzige Chance zum Erreichen Valonistis genommen. Früher oder später keine Chance.
Der Sturm wütet so stark, dass der Schnee durch die geschlossenen Türen dringt. Es ist -24°C. Bei Wind mit ca. 35-38 km/h ist das allerdings wie -60°C. Handschuhe, Jacken, Mützen in Minuten steif gefroren mit dicker Schneekruste. Stehen ungefähr seit 15 Minuten an dieser Stelle. Links neben mir hat sich bereist eine ca. 50 cm hohe und ca. 3 m lange Verwehung gebildet.
GPS-Koordinaten: N 66 30´33“ / E 177 16´45“
03.03.2009: 31. Kurzmeldung (00:49 Uhr MEZ)
Expedition steckt gemeinsam mit Anderen in heftigstem Schneesturm fest. Nichts geht mehr. Nachdem der D10-Fahrer die ganze Nacht versucht hat durch die Schneemassen zu brechen, hat er gegen 7 Uhr zunächst aufgegeben. Solch ein Sturm -sagen selbst diese erfahrenen Fahrer - haben sie bisher nur einmal im Leben erlebt. Es war unglaublich heftig und ist es momentan immer noch - wobei es schein, als ob nun eher der Wind gefallenen Schnee verwirbelt, als dass Neuer hinzukommt. Laut Auskunft der 20 km entfernt liegenden Mine von der sie aufbrachen, kann keiner sagen wie lange wir ausharren müssen bevor sie versuchen weiterzukommen. Es gibt null Sicht. Alles aber, wirklich alles, ist weiß. "Whiteout" heißt diese gefürchtete Situation.
Gestern Nacht spielten sich noch unglaubliche Szenen ab. Eine davon war, dass der Truckbus, in dem wir die 20 Personen vermuteten, zurück gelassen wurde. Wir wissen nicht ob sich Personen darin befanden. Er konnte nicht aus den Schneemassen befreit werden. Ein weiterer 8x8 Truck wurde frei geschoben. Um nun an den riesigen Schneekratern vorbeizukommen, die er bei der aktion hinterließ, fuhr der D10 eine Schleife durch den Tiefschnee. Dabei zerrte er noch hinter seinem Schlitten einen Uraltruck 6x6 mit, der dabei auf die linke Seite fiel. Ich rannte, fiel, robbte mich durch die Rinne um im wahrsten Sinne des Wortes zu ertasten ob wir da durch kommen würden. Zum Glück war durch den breiten Schneeraumschlitten rechts gerade soviel Platz, dass unsere Wagen nicht in die Rinne fielen, die dem Ural zum Verhängnis wurde. Als wir in höchster Anspannung versuchten dem CAT zu folgen - was nur in der Untersetzung und im 1. oder 2. Gang ging, wurden unsere Motoren plötzlich heiß. Wir öffneten im Sturm die Motorhaube und sahen, dass der Motorraum - obwohl von allen Seiten spezialisoliert - über und über mit Eis bedeckt war. Wie durch unsere Türen, hatte der Sturm in den Motorraum gedrückt. Das Eis, das sich bildete, hatte dann die Elektrolüfter festfrieren lassen. Wir fuhren um den CAT nicht zu verlieren weiter, immer an der Grenze zum roten Bereich. Aktuell funktioniert mein Lüfter wieder, wohingegen F2 noch ohne ist. Es ist wirklich der Hammer hier.
Aktuelle Position: Geschätzte 4-6 km von der letzten Positionsmeldung entfernt (kein GPS-Empfang) Richtung Valonistin. Insgesamt eingeschlossene Personen an dieser Stelle: 10 in 5 Fahrzeugen, keine Verletzten o.Ä., Kraftstoffreserve Jeeps zusammen noch 320 l, Essenreserve EE-Team für 7-8 Tage, bestehende Funkkommunikation mit Mine in 20 km durch CAT-Fahrer, bestehende Satellitentelefonkommunikation.
GPS-Koordinaten: N 66 29´20" / E 177 23´13"
03.03.2009: 32. Kurzmeldung (08:23 Uhr MEZ)
Es geht immer noch nichts. Stehen nach 12 Stunden immer noch an gleicher Stelle. Sturm ist wieder intensiver geworden. Mussten tanken. Haben jetzt zwei volle Fahrzeughaupttanks und noch ca. 200 l Reserve, d.h. noch ein Mal Haupttanks auffüllen + Rest für Fahrt. Kraftstoff reicht somit noch für 96 Stunden. Essensreserven ok, Trinken wird knapper. Schmelzen Schnee.
Haben uns jetzt ein Notzelt aus russischem Zeltstoff, den wir für schlimmste Fälle dabei haben, über die Fahrzeugmotorhauben gebaut, da immer mehr Schnee in Motorraum und Fahrgastraum eindringt.
03.03.2009: 33. Kurzmeldung (12:01 Uhr MEZ)
Kraftstoffreserven Bulldozer werden knapper. Dozerteam hat sich daher für Aufbruch entschieden. Sind nach 20 Stunden Stillstand gestartet. F2 wird durch den defekten Lüfter permanent sehr heiß, haben Isolationsmatten ausgebaut, Kühlergrill. Aber es wird schwer werden den Pass so zu schaffen.
03.03.2009: 34. Kurzmeldung (17:45 Uhr)
Haben es geschafft. Sind in der Mine Valonisti angekommen. Die kleine - aus der Situation des Eingeschneit-seins - entstandene Gemeinschaft von 10 Männern, hatte gerade angefangen sich gemeinsam auf evtl. schwierige Tage einzustellen (Essen wurde zusammengetragen und geteilt. Wir stellten den Topf/die Männer des Trupps schmolzen Schnee, gemeinsam kochten wir, etc., etc.), als sie sich auch schon wieder auflöste. wir gratulierten und verabschiedeten uns achtungsvoll voneinander in dem Wissen, jeder hat diese schwierige Situation sehr gut gemeistert. In 9 Stunden legten wir die 18 km zurück, die uns von der Außenwelt trennten.
Meter für Meter. 2 m vorwärts = 1-2 m Schneehöhe beseitigen. Teilweise grub sich der CAT aber auch bis übers Dach in den Schnee ein. Ich zog Kaspars Gespann mit dem F1-Gespann etwa die Hälfte der Strecke, die andere versuchte er so gut es irgend ging knapp unter dem roten Bereich zu fahren. Er ist ein wirklich guter und sehr besonnener Fahrer.
Das Wetter hat sich zwischenzeitlich zu unserem großen Glück auch ein wenig beruhigt. Es windet zwar noch, aber vergleichsweise schwach bei mäßigem Schneefall. Freuen uns nun nach 6 anstrengenden Tagen und Nächten im Auto nachher auf eine Dusche.
GPS-Koordinaten: N 66 24´55“ / E 177 34´59“