Danke an Uelen
Im Moment sind es Sprachfetzen, Wörter, halbe Sätze oder auch mal ganze Formulierungen, die mir durch den Kopf schießen.
Es ist Zeit geworden für ein paar Gedanken – heute.
Im Radio meines Wagens laufen Lieder, die mich seit Jahren begleiten. Es ist angenehm warm im Wagen, die Gedanken schweifen.
Ab und zu nur werde ich an daran erinnert wie unbedeutend die paar Millimeter Blech und Glas um uns herum sind, die - wenn die Motoren nicht laufen würden - den bis zu 75° Temperaturunterschied, den wir schon hatten nur für Minuten halten könnten.
Es gibt sicher Viele, die das was wir machen für sinnlos erachten. Es wird Menschen geben, die uns belächeln und es gibt sicher Menschen, die wir/ich verärgerte(n) während der Fahrt bis Uelen.
Das kann sein und ich möchte mich hiermit bei denen, die wir wissend oder unwissend verärgerten entschuldigen, stellvertretend und persönlich.
Ob wir bei dem anstehenden Versuch der Beringstraßenüberquerung scheitern werden oder nicht, ob man uns verteufeln wird oder nicht, ob man über uns/mich lachen wird oder nicht, eines haben wir in jedem Fall erreicht: viele Menschen lernten einander kennen, leisteten außergewöhnliches und waren Teil einer besonderen Fahrt. Diese Kontakte, Treffen, Gespräche, etc. haben Erinnerungen hinterlassen, bei jedem Einzelnen. Und wenn es nur ein ganz kleines bisschen geprägt hat, etwas ist hängen geblieben - ein Stück Verbindung der unterschiedlichsten Kulturen auf dem langen Weg an das Ende Asiens.
Es ist ein Verdienst aller Menschen ab Paris, es ist eine Fahrt Aller, die dabei waren oder mithalfen, persönlich oder in Gedanken, aktiv oder passiv. Ich hoffe jedem Einzelnen von Ihnen bisher das Gefühl der Dankbarkeit gegeben zu haben. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, so möchte ich bitten auch dies zu entschuldigen und hole das hiermit nochmals ausdrücklich nach.
Es sind kleine, große, außergewöhnliche und unglaubliche Leistungen, die die unterschiedlichsten Menschen dieser Fahrt zuteilwerden ließen.
Ich kann alle denen das Projekt bis hierher dank schuldet nicht aufzählen, es sind zu viele. Aber ich möchte stellvertretend für alle, die Außergewöhnliches beitrugen, die Geschichte eines kleinen Jungen erzählen:
Er kam in einem Dorf, das wir durchfuhren, auf mich zu. Er war dick vermummt mit seiner Mutter von irgendwo durch die Kälte gelaufen um uns zu treffen. Als er an meinem Wagen ankam, streckte er mir seine Hand entgegen und als ich richtig hinsah, sie greifen wollte um sie zu schütteln und ihm hallo zu sagen, bemerkte ich dass er mir nicht seine Hand geben, sondern ein Geschenk machen wollte. In seinem dicken Handschuh lag ein kleiner Talisman.
Er wollte mir Glück schenken.
Dieser kleine Mann, der dabei bis über beide Ohren zu strahlen schien, schenkte der Expedition und mir ein Stück Glück. Wie glücklich ich über diesen Moment war wird er evtl. nie erfahren, aber wie außergewöhnlich seine Leistung war, sollen andere wissen.
Denn aus dem Blick eines Kindes zu warten bis Fremde kommen, mit Autos, die man bestaunen oder vor denen man Angst haben kann, dann dick angezogen durch die klirrende Kälte zu stapfen, auf einen wildfremden Mann zuzugehen, ihn anzulachen und ihm, der nichts, aber auch gar nichts für ihn getan hatte zu beschenken, das ist außergewöhnlich. Er wusste nicht dass ich zwei Söhne habe, die mich viel zu lange nicht sahen und wie sehr ich jeden Tag an sie denke, sie vermisse. Er wusste nicht welche kraft ich aus seiner Handlung, die er mir zuteilwerden lies ziehen konnte um durchzuhalten, aber er hatte einen besonderen Beitrag geleistet, als ich mich zu ihm beugte und das Geschenk dankend annahm.
So bedeutend wie die Leistung dieses kleinen Jungen war, so haben viele, viele, viele, viele Erwachsene Dinge getan, die bewegten, die erfreuten, die halfen, die Brücken bauten, die verbanden, die Grenzen verschwinden ließen und Hindernisse überwanden.
Ich danke Ihnen/euch allen.
Herzlichst, Matthias Jeschke
P.S.: Aktuelle Position beider Fahrzeuge und Trailer seit 13:45 Uhr: N 66°09.017 / W 160°49.931 = 200 m vor Uelen. Uns ist nicht bekannt, dass je zuvor ein anderes Fahrzeug aus Paris kommend, aus eigener Kraft und über die Südroute - noch dazu mit Anhängern - Uelen erreichte.