Zur Sicherheit der am Straßenverkehr teilnehmenden Haustiere sollte das Befahren von öffentlichen Straßen durch Geländewagen verboten werden.
[OT]
In eigener Sache:
Es gibt hierzulande tatsächlich so was Ähnliches wie "am Straßenverkehr teilnehmende (Haus-)Tiere", die hierzu auch berechtigt sind. Nur weiß das fast keiner mehr, und im Fahrschulunterricht wird das richtige Verhalten ihnen gegenüber i.d.R. weder gelehrt noch geprüft.
Die Rede ist von (gerittenen und gefahrenen) Pferden. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung befinden sich diese weder zu Unrecht auf einer Straße (außer bei Kraftfahrstraßen und AB), noch "funktionieren" sie wie eine Art bepelztes Fahrrad, bei dem man alleine von Vernunft und Kontrollmöglichkeiten des Lenkers ausgehen dürfte.
Da, wie ich festgestellt habe, zwar viele Kfz-Führer durchaus guten Willens, aber für die Begegnung mit den Vierbeinern in keiner Weise ausgebildet worden sind, macht es vielleicht Sinn, auch hier mal eine Handvoll eher unbekannte Fakten anzusprechen. Nicht um eine Diskussion über Verbote und/oder Ausbildung auszulösen, oder weil das Folgende vielleicht für einige schon kalter Kaffee ist - eher, weil meiner Erfahrung nach die allermeisten den größten Teil davon schlicht und einfach noch nie gehört haben:
- Pferde unterliegen zu keinem Zeitpunkt einer vollständigen Kontrolle durch den Reiter, sondern werden - als nichttechnische Objekte - stets zu einem Teil durch eigene Wahrnehmung und eigenen Willen beeinflusst. Man darf sich daher nie hundertprozentig auf den Reiter/Fahrer verlassen bzw. rausreden, sondern muss ähnliche Sorgfalt wie bei einem am Straßenrand spielenden Kind walten lassen.
- Pferde bewegen sich im Fall des Erschreckens nicht zwangsläufig vom Schreckauslöser weg. Außerdem können sie durchaus speziell auf Menschen zu springen, um instinktiv Anschluß bei Bedrohung zu suchen. Damit muss ein Autofahrer stets nicht nur den Bereich zwischen sich und einem Pferd, sondern auch den auf der anderen Seite in seine Überlegungen einbeziehen und damit rechnen, dass sein Erscheinen ein Überrennen z.B. eines dort befindlichen Fußgängers zur Folge haben kann
- Pferde haben zwar gewissermaßen einen Allradantrieb, aber keine Reifen (sondern glatte Hufeisen). In anderen Worten: beim Erschrecken können sie sehr schnell den Kontakt zur Fahrbahn verlieren und stürzen, wodurch sie u.a. auch schlagartig die doppelte bis dreifache Fläche einnehmen und meistens die Lenkung (in Person des Reiters) verlieren.
- Pferde sehen unscharf, nehmen aber Bewegung gesteigert wahr. Hinzu kommt eine fast vollständige Rundumsicht; als Folge davon reagieren Pferde daher bereits sehr früh auf Annäherung von hinten. Auch ein zu frühes Wiederbeschleunigen nach dem Passieren eines Pferdes kann daher immer noch einen schweren Unfall auslösen.
- Pferde sind sehr lichtempfindlich; sie sehen auch im Halbdunkel noch auf große Entfernung gut. Sie sind daher sehr leicht durch Autoscheinwerfer, insbesondere die bei einem SUV höher angebrachten, zu blenden. Aufgrund ihrer großen Pupillen kann starkes Scheinwerferlicht auf sie sogar schmerzhaft wirken.
- Das Gesichtsfeld von Pferden ist direkt nach vorne stark verengt. Ein ihnen entgegen kommendes, jedoch erst spät auf die andere Fahrbahnseite wechselndes Objekt erscheint daher u.U. sehr plötzlich in ihrem Blickfeld oder verschwindet daraus, was zu Schreckreaktionen führen kann.
- Pferde können praktisch auf der Stelle wenden, auch in schnelleren Gangarten rapide die Richtung ändern, und seitlich wegspringen, weil sie nicht auf Rädern laufen und auch nicht durch Kreiselkräfte stabilisiert werden. Damit muss man sich auf einen breiteren potentiellen Aufenthaltsbereich einstellen, als der optische Eindruck speziell von vorne oder hinten vermuten läßt.
- Pferde reagieren eher auf abrupte als auf laute Geräusche. In der Nähe von Bussen und LKW beispielsweise ist wegen der Luftdruckgeräusche beim Abbremsen daher eher mal mit unerwartetem Verhalten zu rechnen.
- Eine häufige Reaktion von Pferden auf kleinere, oft auch vom Reiter nicht wahrgenommene Sichtreize, besteht in schlagartigem Stehenbleiben.
- Eine Gruppe von bis zu 6 Pferden hintereinander bzw. bis zu 25m Gesamtlänge ("geschlossener Verband") ist als ein "Fahrzeug" zu betrachten - zwischen ihnen einzuscheren ist also genauso unzulässig wie bereits das Ansetzen zu einem Überholvorgang, der nicht an der kompletten Gruppe vorbei führen würde
- Pferde gelten sogar als "zweispurige Fahrzeuge" - sprich, sie müssen sich nicht am rechten Fahrbahnrand herumdrücken, sondern dürften die Fahrbahn mittig benutzen
- Pferde brauchen einen Fußgängerweg neben einer Straße nicht nur nicht benutzen, obwohl sie doch keine Räder haben - sie dürfen das in diesem Fall nicht mal, sondern gehören auf die Fahrbahn!
- die Kollision mit einem Pferd bedeutet ein Gewicht von einer halben bis zu einer dreiviertel Tonne, dessen Schwerpunkt - im Gegensatz zu beispielsweise einem Reh - in etwa 1,20m Höhe liegt. Dadurch entsteht selbst bei einem SUV auch eine erhebliche Gefährdung der Insassen.
- die Folgeerscheinungen eines unnötig in Kauf genommenen Erschreckens sprengen den überschaubaren Rahmen der aktuellen Begegnung bei weitem. Ein in Panik geratenes Pferd kann ohne weiteres noch eine Weile unlenkbar bleiben und speziell ohne Reiter noch ganz woanders sehr schwere Unfälle verursachen.
- Gerichte entscheiden im Fall nachweisbar provozierten oder in Kauf genommenen Erschreckens von Pferden so, als hätte der Verursacher einen Unfall in hohem Maße mit verschuldet. Die juristische Deutung solcher Vorfälle hebt also primär nicht auf eine Art Unfähigkeit des Reiters/Fahrers ab, sondern legt im Gegenteil ein bewusstes Ignorieren der Tiergefahr durch den KFZ-Führer zugrunde. In einfacheren Worten bedeutet dies eine Lesart, der zufolge ein Reiter eher Vernunft beim Autofahrer annehmen darf, statt dass letzterer von einer Art durch den Reiter garantierten "Vernunft" des Tieres ausgehen könnte. In noch einfacheren Worten: wer ein Reh umfährt, handelt je nach Geschwindigkeit mehr oder minder fahrlässig; beim Pferd fängt die Skala beim groben Vorsatz an.
- Fazit: die drei vielleicht wichtigsten Unfallvermeidungsrezepte bei einer Begegnung mit Pferden lauten "viel Abstand", "extrem niedrige Geschwindigkeit" und vor allem "mit wirklich allem rechnen". Vor allem mit der ersten tun sich SUV jedoch oftmals schwer, weil sie schlicht und einfach etwas mehr Platz für sich selber benötigen.
Man könnte an dieser Stelle zwar durchaus auf die Idee kommen, Pferde seien halt nicht mehr zeitgemäß und infolgedessen aufgrund ihres Tierverhaltens endlich von den Strassen zu verbannen. Doch dieser Ansatz ist nicht zielführend, weil er noch weiter von der Eigenverantwortlichkeit des menschlichen Verkehrsteilnehmers ablenkt (und ganz nebenbei auch mit dem Prinzip der Besitzstandswahrung kollidiert - man kann nicht einfach einem anderen was verbieten, nur weil's einem selber unerwartet mehr Perzeption abverlangt); als nächstes sind wir dann doch wieder beim Wild oder beim Kleinkind, und spätestens das kann man nicht verbieten.
Es ist daher sicher sinnvoller, die og. Informationen über das spezifische Verhalten einer wenn auch sehr kleinen Gruppe von Verkehrsteilnehmern einfach möglichst weit zu verbreiten. An anderen Stellen (z.B. bei einer Informationsveranstaltung anlässlich eines Radwandertags) war Ähnliches schon sehr erfolgreich und wurde positiv aufgenommen - warum nicht auch hier?
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