Weg frei für heimliche Online-Durchsuchungen in Bayern
Schon vom 1. August an soll die Polizei in Bayern heimliche Online-Durchsuchungen zur Terrorabwehr sowie zur Verhinderung schwerwiegender Straftaten durchführen und dafür auch heimlich in die Wohnungen Verdächtiger eindringen dürfen. Der federführende Innenausschuss des bayerischen Landtags hat Ende vergangener Woche den Weg frei gemacht für eine entsprechende, heftig umstrittene Änderung des Polizeiaufgabengesetzes. Die Novelle soll am morgigen Donnerstag von den Landesparlamentariern mit der Mehrheit der CSU verabschiedet werden, was nach dem grünen Licht der Innenpolitiker als Formsache gilt. Die ebenfalls im Landtag vertretenen Fraktionen von SPD und Grünen haben gegen die Beschlussempfehlung (PDF-Datei) des Innenausschusses gestimmt und werden sich dem Vorhaben wohl auch in der Plenarsitzung widersetzen.
Ähnliche Befugnisse zum "verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme" wie für die Polizei will die allein regierende CSU auch dem bayerischen Verfassungsschutz einräumen. Eine entsprechende Empfehlung (PDF-Datei) für eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes des Landes hat der Innenausschuss ebenfalls bereits mit leichten Änderungen am Entwurf (PDF-Datei) der bayerischen Staatsregierung freigegeben. Gleichzeitig sollen damit auch die Kompetenzen der Staatsschützer zur Einholung von Daten privater zur Terrorabwehr, zum Einsatz des IMSI-Catchers oder zum großen Lauschangriff ausgeweitet werden.
Deutlich umfangreicher sind die im Ausschuss angenommenen Änderungen (PDF-Datei) von CSU-Abgeordneten am Entwurf (PDF-Datei) der Landesregierung zum neuen Polizeigesetz. Die Ermittler können demnach IT-Systeme von Verdächtigen heimlich ausforschen, die für eine künftige "dringende Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person" verantwortlich sind. Die heimliche Online-Durchsuchung soll aber auch möglich sein, wenn "konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen", dass die "Gefährder" eine schwerwiegende Straftat nach Artikel 30 des bayerischen Polizeigesetzes begehen werden.
Erfasst werden sollen demnach etwa Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit sowie Straftaten gegen die öffentliche Ordnung. Eingeschlossen sind auch Vergehen "gegen die sexuelle Selbstbestimmung", gegen das Leben oder die persönliche Freiheit. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Waffenverstöße sind ebenfalls eingeschlossen. Nicht gelten soll die Lizenz zum Einsatz des Bayerntrojaners dagegen bei gravierenden Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Im Rahmen einer Online-Razzia sollen die Sicherheitsbehörden auch Daten etwa auf Festplatten löschen oder verändern dürfen, wenn Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht. Als Beispiele werden detaillierte Beschreibungen von Anschlagzielen oder Bombenbauanleitungen genannt. Bei Gefahr in Verzug soll generell für verdeckte Online-Durchsuchungen und "notwendige Begleitmaßnahmen" wie das Eindringen in Wohnungen eine richterliche Anordnung nicht sofort erforderlich sein.
Neu ist zudem, dass die Änderungen auch Zugriffsmöglichkeiten der Polizei auf die von den Providern laut einem Bundesgesetz verdachtslos sechs Monate auf Vorrat zu speichernden Verbindungs- und Standortdaten zur Gefahrenabwehr um Schutz hochrangiger Rechtsgüter vorsehen. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, heißt es zur Begründung, da die Informationen angesichts der Verbreitung von Flatrate-Tarifen nicht auf anderem Weg erlangt werden könnten.
Die CSU sieht die beiden Vorhaben im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu verdeckten Online-Durchsuchungen und dem von Karlsruhe verlangten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Informationen aus der Intimsphäre sollen demnach nicht verwertet werden dürfen und gelöscht werden mit der Ausnahme, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Daten der gezielten Herbeiführung eines Erhebungsverbots dienen sollen. Eine ähnliche Regelung gilt für Daten, die einem Vertrauensverhältnis mit Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind und keinen Bezug zu den großen Gefahren oder Straftaten haben. Ansonsten soll sich die Maßnahme auch gegen Kontakt- und Begleitpersonen richten können.
Nicht zuletzt werden mit der Beschlussempfehlung die Vorschriften über den verdeckten Einsatz automatisierter Systeme zum Scannen von KFZ-Kennzeichen fortgeschrieben, wobei die CSU eine Anpassung an das Urteil zur Einschränkung der umkämpften Maßnahme vom März verspricht. So werde der bisher enthaltene Begriff des Fahndungsbestandes konkretisiert und die mit der Nummernschilderkennung verfolgten Zwecke und abzuwehrenden Rechtsgutbedrohungen präzisiert. Zulässig sein soll demnach der Abgleich der Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsbeständen über Autos, die durch Straftaten abhanden gekommen sind. Weiter wird er gestattet bei Personen, die zur Beobachtung oder verdeckten Registrierung, aus Gründen der Strafverfolgung oder Auslieferung, zum Zweck der Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen sowie wegen gegen sie veranlasster Maßnahmen der Gefahrenabwehr ausgeschrieben sind.
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(Stefan Krempl) / (jk/c't)