Werksbesichtigung VW Slovakia, Bratislava

  • Ich werde Mitte Juli bei Bratislava vorbeifahren, wo ja bekanntlich unser Touareg hergestellt wird. Vergeblich habe ich bis jetzt versucht einen Kontakt mit dem Werk herzustellen, denn ich möchte gerne eine Werksbesichtigung machen.

    1. Weis jemand, ob solche Besichtigungen für Private überhaupt möglich sind?
    2. War von euch schon jemand dort und kann mir Infos zum Standort sagen (Werk soll sich in Devinska N. Ves befinden, einem Vorort von Bratislava)
    3. Kennt jemand eine Kontaktperson die man für eine Besichtigung angehen könnte?

    Ich würde Euch bei der Hilfe natürlich auch belohnen... Ihr bekommt einen Bericht mit Bildern!

    Gruss
    Pit :rolleyes:

  • ja es ist uns möglich eine Besichtigung zu machen. Ich habe einen Kontakt bei VW, der mir aber schon angekündigt hatte das ich so etwas zeitig anmelden sollte.
    Nun wir haben diese Kontaktperson als Leistung in unserer Vereinsmitgliedschaft ;)

    Ich werde mal sehen was ich machen kann.

    Grüße
    Eric

  • Hi Freunde.
    ich war vorigen September in Vorfreude auf meinen T im Werk Bratislava (wohne in Wien und ist daher "gleich um's Eck"); ich kann nur sagen, wenn man ein echter Fan ist, zahlt es sich aus.
    Bin über VW - wie unten erwähnt - dorthin gelangt. Man wird durch die erwürdigen Hallen geführt - aber nicht alle, wären auch zu viele - nur da, wo die "Hochzeit" stattfindet (= Zusammenführen Karosserie mit Fahrwerks/Antriebseinheit). Dauert so ca 45 Minuten und man sieht wirklich alles. Laufend rollen Touareg's mit Cayenne's vermischt vom Band; die werden da kunterbund durcheinander gefertigt. Fotos habe ich leider keine - ist nämlich strengstens verboten !

    Dannach wurden wir zur hauseigenen Offroad-Teststrecke gebracht und durften alle Modelle selbst fahren - mit Werks-Co-Pilot! Das war mindestens so beindruckend, wie die Produktion.

    Grüße Gernot

  • Hallo Gernot,

    ist gebucht, melde mich hiermit schon mal an! :)

    Aber warum erst nächstes Jahr?

    na gut, vielleicht kann man dann ja gleich ein paar Ersatzteile ....,
    hab ja scheinbar reichlich Bedarf. :cool:

    Gruß
    andreas

  • Nun ich war in Bratislava und ganz nahe dran, wo unsere Dicken geboren werden - aber leider eben nur nahe dran und nicht drin ... :wand:

    Es ist definitiv nicht möglich (auch mit aller Ausdauer, Charme, Überzeugungskraft!) eine Besichtigung des Werkes, des Museums, etc ohne eine offizielle Führung via bspw. VW Austria oder Porsche zu machen.
    Zudem gilt offenbar, dass Kinder unter 15 Jahren keinen Eintritt haben.
    Diese Aussagen habe ich von der äusserst netten "Public Relations Managerin" höchst persönlich, welche sich um uns vor Ort gekümmert hat.

    Interessant war auch noch die Aussage von ihr, dass die bereits ausgeschriebenen Führungen via VW Austria ev. abgesagt werden müssen - wegen „Produktionsumstellungen“ (???). :eek:

    Sie hat mir aber zugesichert, dass eine Führung z.B. Für die Touareg-Freunde mit genügend Vorlaufszeit durchaus machbar sei. Adresse, Telefonnummer, eMail, Handynummer (!) etc. hab ich alles von Ihr....

    Trotz alle dem hat es sich für mich/uns gelohnt den kleinen Abstecher nach Bratislava zu machen. Die Fabrik ist weit draussen vor der Stadt (wo ich im übrigen keinen einzigen Dicken gesehen habe). Von der Hauptstrasse ist das Gelände via einen riesigen Kreisel mit VW-Logo erreichbar. Weiter als das Empfangsgebäude kommt man allerdings nicht. Fotografieren ist auch nicht erlaubt.

    Hier aber trotzdem einige Bilder von Aussen ....
    http://homepage.mac.com/pit.hostettler/touareg

    Liebe Grüsse
    Pit

    PS: für alle diejenigen welche auf Ihren Dicken warten. Es gab in Bratislava keine Betriebsferien!

  • Sehr interessant, danke fur ihren nachtricht und deine dolle homepage.
    :Applause:

    Driving a: R5 TDI Tiptronic, Black Magic, Teak Nappa Leather, Vavona wood, Navigation, Chrome, 255/60 R17, fog-lights, ...

  • Sehr geehrter,

    Vielen Dank für Ihre Anfrage.
    Wir versuchen gerade neue Termine mit dem Werk in Bratislava zu vereinbaren. Wir haben leider noch keine Rückmeldung erhalten. Wir bitten noch etwas um Geduld. Falls wir neue Termine erhalten, werden wir diese auch im Internet unter http://www.vw-adventures.at kommunizieren.

    Freundliche Grüße ...................................................
    Mag. Daniela Stotschek
    Produktmanagerin VW PKW

    Porsche Austria GmbH & Co
    Vogelweiderstraße 75
    5021 Salzburg

    Telefon +43-662/4681-2202
    Telefax +43-662/4681-2687 mailto:daniela.stotschek@volkswagen.at
    http://www.volkswagen.at

  • Habe einen interessanten Artikel im NZZFolio 4/2004 über die VW-Werke in der Slovakei gefunden:

    Läuft und läuft und läuft.
    Früher bauten sie die besten Panzer für den Osten, heute die besten Autos für den Westen. Die slowakischen Helden der Massarbeit sind fleissig, pünktlich, gut ausgebildet - und billig.
    Von Ulrich Schmid

    Am Berg, bei 45 Grad Neigungswinkel, bringe ich den Touareg zum Stehen und hebe ab: die Orientierungspunkte sind auf geheimnisvolle Weise entschwunden - die künstlichen Bachbette, die Hügel, die Holperpfade, die fernen Kolchoswälder und die flachen Quader des VW-Werks von Bratislava. «Sie können die Bremse loslassen», sagt der junge Werksfahrer, der Einzige im Wagen, der sich entspannt zurückgelehnt hat, und widerwillig hebe ich den Fuss. Reglos hängen wir im Riesengefährt zwischen Himmel und Erde, und ich lache, wie man auf der Achterbahn lacht. Die Dame vom Sekretariat und der Werksfahrer lachen auch, aber anders: stolz.
    Stolz - das Stichwort passt zur heutigen Slowakei. Natürlich könnte man, wäre man nicht metaphernkritisch, auch von einer Slowakei schreiben, die irgendwo im Niemandsland zwischen Kommunismus und Kapitalismus schwebt, die abgehoben hat und auf Bahnen eingeschwenkt ist, von denen man im saturierten Westeuropa nicht einmal mehr zu träumen wagt: vom unerwarteten Höhenflug eines noch vor zehn Jahren vom Westen praktisch abgeschriebenen Landes.
    Doch lohnender ist die Beschäftigung mit diesem neuen slowakischen Stolz, der keinem verborgen bleibt, der sich in diesen Tagen in Bratislava umsieht. Und da kommt man an den Autobauern nicht vorbei. In einer Zeit, in der in Westeuropa Misere und Angst um sich greifen, baut Volkswagen unweit der slowakischen Hauptstadt Autos, die in der VW-Produktion zu den besten gehören.
    Ähnlich wie in Tschechien, wo VW 1990 nach der samtenen Revolution den Autohersteller Skoda erwarb, hat sich der Entscheid der Wolfsburger Autobauer, in einem ehemals kommunistischen Land zu investieren, als Glückstreffer erwiesen. Die Qualität der slowakischen Wagen ist mittlerweile sprichwörtlich. Hier stimmen die Rahmenbedingungen von der Stossstange bis zum Auspuff: die Slowaken sind präzise, fleissig, pünktlich und zuverlässig; sie sind gut ausgebildet, und vor allem arbeiten sie billig. Wer hier monatlich 500 Dollar nach Hause trägt, betrachtet sich als gut verdienend. Doch wenn in Bratislava Westlöhne bezahlt werden müssten, wäre VW nicht gekommen.
    Und so trifft man denn auch kaum jemanden, der sich daran stösst, dass der grösste europäische Autohersteller ausgerechnet hier produziert, in der kleinen, bescheidenen und von den Westeuropäern in fast schon törichter Leichtsinnigkeit unterschätzten Slowakei, und dabei über 9000 Menschen Arbeit gibt. Es scheint, als habe man die manchmal schmerzhafte Unausweichlichkeit des Wettbewerbsprinzips hier besser erfasst als weiter westlich: Keine der rund zwanzig Personen, die ich in der pittoresken Bratislavaer Altstadt auf der Basis bedenkenloser Unwissenschaftlichkeit befrage, ärgert sich darüber, dass VW nur gute, aber landesübliche Löhne zahlt.
    Die Zeiten klassenkämpferischen Überschwangs, die in der Hochkonjunktur blühten, sind vorbei, und jenseits des einstigen Eisernen Vorhangs erinnert man sich nur zu gut daran, was staatliche Intervention im Namen sozialer Gerechtigkeit anrichtete. Lediglich drei junge Gewerkschafter finden, es fiele den Wolfsburgern keine Zacke aus der Krone, wenn sie um ein paar Kronen spendabler wären. Im gleichen Atemzug allerdings legen sie, fast wie zur Entschuldigung, ein ebenso eloquentes wie fundiertes Bekenntnis zur Marktwirtschaft ab. Doch mit dem Hinweis auf das Etikett «Niedriglohnland» lässt sich der Erfolg der Bratislavaer Autobauer sowieso nicht erklären. Niedrige Löhne gibt es auch anderswo in Ostmitteleuropa, willige und gut ausgebildete Arbeitskräfte ebenfalls. Woran liegt es also?

    Vermutlich an den Panzern. Der heutige Vorstandsvorsitzende von «Volkswagen Slovakia, a. s.», Jozef Uhrik, war bis 1989 Generaldirektor eines Konglomerats, das ungefähr die Hälfte der tschechoslowakischen Panzertechnik produzierte. Der einstige Panzermann ist also ein waschechter Apparatschik - einer allerdings, der den Wechsel in die Welt des schnöden Profits sehr viel eleganter gemeistert hat als die Legionen seiner Kollegen, die heute an der Donau sitzen und angeln.
    Uhrik hat einen erfreulichen Abstieg hinter sich. Bis zur samtenen Revolution war er Herr über 14 Werke mit 85 000 Angestellten; heute befiehlt er noch über 9000 Mitarbeiter. Der Karriereknick scheint ihm nicht zuzusetzen: Die Führung des Bratislavaer VW-Werks ist ein Riesenerfolg für ihn, und die Genugtuung, es nicht nur auf den langweiligen, überblickbaren Wegen der Planwirtschaft, sondern auch im Dschungel des Markts geschafft zu haben, ist in jedem seiner Sätze spürbar. Kein Wunder: Unter Uhriks Führung exportierte VW Slovakia im Jahr 2002 Autos im Wert von mehr als 100 Milliarden Kronen (2,4 Milliarden Euro). Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten slowakischen Ausfuhren. What's good for VW is good for the country? Für einen Moment verlässt den fein lächelnden Brillenträger seine demonstrative Bescheidenheit. Volkswagen, sagt er, tue noch viel mehr für die Slowakei, als Ford einst für die USA getan habe.

    Uhrik ist ein Mann der ersten Stunde. Sein Werksausweis trägt die Nummer 1, er war dabei, als VW 1991 am Ort, an dem heute die gigantischen Werkshallen stehen, einen kleinen Zulieferbetrieb erstand, und er war es, der dem damaligen VW-Chef Hahn ein Konzept vorlegte, das dieser mit dem firmenintern notorischen Wort bedacht haben soll: «Uhrik, was Sie hier vorhaben, das ist schon kein Risiko mehr, das ist Glücksspiel.» - «Hasard», sagt Uhrik, und sänge er, er klänge wie Karel Gott. Aber er durfte sein Roulette spielen, und zu seinem und der Wolfsburger Glück fielen die Kugeln auf die richtigen Zahlen.

    Die Radikalität des Panzermanns bestand im Verzicht auf alles Belastende. Anders als die Heere von Investoren, die in Russland Schiffbruch erlitten beim Versuch, sozialistische Bausubstanz und Produktionstechnik in den Kapitalismus hinüberzuretten, konzentrierte sich Uhrik auf den Aufbau eines vollkommen neuen Werks. Bei VW Bratislava werden heute jährlich über 225 000 Personenwagen, über 300 000 Getriebe und über 18 Millionen Komponenten produziert. Ende Mai 2003 rollte der millionste Wagen von den Förderbändern. Es war, welch schöner Zufall, das Juwel der Produktion, ein Touareg.
    So kompromisslos man sich bei VW der Hardware entledigte, so entschieden rettete man die Software. Mochten die eisernen Ungetüme auf Halde gehen: vom technischen und organisatorischen Know-how der gewaltigen kommunistischen Panzerindustrie profitierte VW dennoch. Ob es die Planer von einst mit heimlicher Genugtuung erfüllt? Nirgendwo wurden in den achtziger Jahren pro Kopf mehr Panzer hergestellt als in der Slowakei. Diese Betriebe entsprachen gewiss nicht westlichem Standard, doch als Teil des von der Sowjetunion gehätschelten «militärisch-industriellen Komplexes» lagen sie weit über dem bedauerlichen Niveau der übrigen sozialistischen Produktion, und in Moskau verliess man sich schon damals gern auf das Gütesiegel «Made in Czechoslovakia».
    Bei Panzern war Ausschuss nicht akzeptabel. Mochte den Bürgern der Stecker in der Hand zerfallen: Panzer mussten fahren und schiessen, und zwar zuverlässig. So entstand eine solide, exportfähige Industriekultur, deren Güter in der Zweiten und in der Dritten Welt regen Absatz fanden und deren kollektives Wissen Generationen von Studenten beschäftigte. Dieses Erbe litt beim Zusammenbruch des kommunistischen Wirtschaftssystems enorm. Doch trotz der hohen Arbeitslosigkeit - sie lag in der stark industrialisierten Slowakei doppelt so hoch wie in Tschechien - verschwand es nicht, und die westlichen Sondierungsspezialisten, die sich schon lange vor der EU-Osterweiterung in das Land wagten, stellten rasch fest, dass hier ein gewaltiges Potential schlummerte.
    Heute ist die einst verspottete Slowakei daran, sich zum kapitalistischen Musterschüler zu entwickeln. Abgesehen von den Balten, kann keiner der ostmitteleuropäischen EU-Beitrittskandidaten mit den Slowaken Schritt halten, wenn es um die makroökonomischen Grunddaten geht. Die bürgerlich-liberale Regierung von Ministerpräsident Dzurinda hat dem Land eine marktwirtschaftliche Rosskur verschrieben, über die Liberale jubeln, während sie von der Linken und den Gewerkschaften, die eine schleichende Verarmung der Slowakei beklagen, hart kritisiert wird. Prunkstück der Reformen ist eine Flat Tax von 19 Prozent auf privaten und betrieblichen Einkommen, ein Magnet für alle, die glauben, ihre Gewinne besser investieren zu können als der Staat.
    Niedrige Löhne, hohes Ausbildungsniveau und überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft mögen bereits in den neunziger Jahren Tausende von Unternehmern, vor allem aus dem nahen Wiener Raum, nach Bratislava gelockt haben. Doch seit dem 1. Januar 2004 kann Bratislava nun auch noch mit einer sensationell einfachen und niedrigen Besteuerung werben, mit fiskalischer Radikalität, wie sie im sklerotischen EU-Raum selbst unter Liberalen kaum noch zu finden ist. Davon profitieren natürlich auch die Autobauer.

    Längst hat sich in der Fachwelt der Erfolg der Wolfsburger herumgesprochen. PSA Peugeot-Citroën, hinter VW die Nummer zwei Europas, baut in der mittelalterlichen Bischofsstadt Trnava für 700 Millionen Euro eine Fabrik, die sich mit dem gewaltigen Werk von VW messen kann. Ab 2006 sollen jährlich 300 000 Kleinautos hergestellt werden. In der Stadt, wo die Arbeitslosigkeit derzeit bei 12 Prozent liegt, freut man sich auf fast 10 000 neue Arbeitsplätze. Die britische MG-Rover-Gruppe verhandelt mit dem Handelsminister Rusko; es soll dabei um ein Werk mit einer Kapazität von etwa 100 000 Wagen pro Jahr gehen. Der Vorsitzende der Regionalregierung von Kosice, Rudolf Bauer, wirbt sowohl bei Rover als auch bei der slowakischen Regierung intensiv für die Investition, die ein Segen wäre für die verarmte ostslowakische Region, die den Anschluss an den Westen des Landes, vor allem an Bratislava, zu verlieren droht.
    Die nordslowakische Stadt Zilina schliesslich, ein architektonisches Bijou an den Westausläufern der Tatra, hat Anfang März 2004 einen epischen Kampf mit der polnischen Stadt Kobierzyce um die Gunst des südkoreanischen Autobauers Hyundai für sich entschieden. Noch in diesem Jahr wird Hyundai in Zilina mit dem Bau eines 700-Millionen-Euro-Werks beginnen, in dem ab 2006 jährlich 200 000 Autos hergestellt werden sollen. Sowohl Zilina als auch Kobierzyce hatten versucht, die Südkoreaner mit niedrigen Steuern, flankierenden Infrastrukturprojekten und kostenloser Landvergabe zu ködern. Schliesslich siegten einmal mehr die dynamischen Slowaken, deren Regierung, anders als die polnische, im Ruf steht, sich mit aller Kraft für die Investoren einzusetzen. Die kleine Slowakei, unter der unseligen Regierung Meciar von den internationalen Investoren praktisch geächtet, ist auf dem besten Weg, gemessen an der Einwohnerzahl, noch vor Ende des Jahrzehnts zu einem der weltgrössten Autoproduzenten zu werden.
    Ohne einen rapiden Ausbau der Verkehrsverbindungen wird das allerdings nicht zu schaffen sein - noch wartet Zilina auf den Anschluss ans nationale Autobahnnetz. Auch Kosice liegt abseits; dem Geheul der Karpatenwölfe ist man dort näher als dem Grossstadtlärm von Wien. Aus dem Engagement von Rover wird nichts werden, wenn die Region Kosice nicht bald mit Bratislava und mit der Stadt Miskolc in Nordungarn verbunden wird. Die Politiker hoffen auf Gelder aus dem EU-Fonds für den Aufbau der Infrastruktur.

    Derartige Probleme kennt man in Bratislava nicht. Die Lage der Stadt ist einer ihrer grössten Pluspunkte: Bis zur Grenze sind es ein paar Schritte, bis Wien 60 Kilometer, bis Budapest per Autobahn 200 Kilometer, und wird das weitgehend brachliegende Transportpotential der Donau und der Eisenbahn erschlossen, könnte sich die Stadt schon bald zu einer Drehscheibe für Zentraleuropa entwickeln.
    Vor allem unten am Fluss gäbe es noch viel zu tun. Öd liegt der riesige Hafen da, in dem zu kommunistischen Zeiten jährlich 3,5 Millionen metrische Tonnen abgefertigt wurden. Die Greifer der Ladekräne schwanken im Sturm; längst sind die wenigen Kähne, über die sie sich beugen, entleert. Durch die Containergassen pfeift der Wind, die Taue sind mit Eis überzogen.
    Fröstelnd denkt man an die hell erleuchteten, beheizten VW-Hallen, in denen Arbeiter, denen kaum noch Schmutz unter den Nägeln klebt, glänzende Karosserien zusammensetzen. Vorbei die Zeiten, in denen das Fliessband die immobilen Arbeiter zu hektischer Pflichterfüllung zwang. Heute fährt der Autobauer bequem auf der Konstruktionsstrasse mit. Gelassen wie die Donau gleitet das hellbraune Band dahin und befördert die zunehmend imposanter und farbiger werdenden Autos zur nächsten Montagestufe. Was sind Bahnhofshallen im Vergleich zu diesen Bauten! Ein gewaltiger Luftraum verschluckt die Geräusche: In manchen Ecken ist es stiller als an der wirklichen Donau, wo es ganz schön dröhnt, wenn Eisen auf Eisen stösst.
    Dem Arbeiter, der mit mir eine Zigarette raucht, ist das Leben hier unten am Fluss dennoch lieber. «Frische Luft», sagt er, und: «Kannst auch mal ein Päuschen machen.» Ob es mit der Ruhe bald vorbei sein wird? Seit dem Bau des Gabcikovo-Damms Mitte der neunziger Jahre ist Bratislava die letzte Station landeinwärts, die hochseetüchtigen Fährbooten zugänglich ist, und deshalb glaubt die Verwaltung, den jährlichen Umsatz von derzeit einer Million Tonnen bald wieder markant steigern zu können.
    Bratislava ist längst keine arme Stadt mehr. Nach Kaufkraftparität gerechnet, hat sie die österreichische Nachbarschaft schon überholt. Ohne den stetigen Zuzug von Arbeitern aus der Niedriglohnregion im slowakischen Osten könnte VW seine Autos nicht so billig herstellen. Tausende von Arbeitern pendeln im Wochenrhythmus, das Angebot an Wohnraum in der Hauptstadt ist knapp, und die Regierung hätte nichts dagegen, wenn VW ausser Automobilen noch ein paar Immobilien baute. Auch das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften droht knapp zu werden. Gemeinsam bemühen sich die Autobauer und die Regierung um Abhilfe. VW arbeitet bereits mit vier Hochschulen zusammen.
    Wien ist verblüfft und etwas konsterniert über die Gründerzeitdynamik des Nachbarn, die im eigenen Land so rar, ja verdächtig geworden ist. Man macht erste Anstalten zur Rettung von Arbeitsplätzen - kampflos will man der einstigen Zwillingsstadt das Feld nicht überlassen. Doch verhindern können wird man den Boom Bratislavas nicht; von den Investitionen, die in die Slowakei fliessen, werden die Österreicher nur marginal profitieren.
    Für die geschichtsbewussten Slowaken allerdings ist der bevorstehende Aufstieg nichts als eine Rückkehr zur Normalität. Mit dem noch immer lastenden Stigma von Armut und kommunistischer Misswirtschaft hat sich Bratislava nie abfinden können. Zu Kaiser Franz Josefs Zeiten war die Stadt, ähnlich wie das grosse Wien und weit mehr noch als Prag, ein Zentrum jener einzigartigen österreichisch-ungarischen Multikulturalität, von der Kunst, Wissenschaft und Handel so ungeheuer profitiert haben: eine der pulsierendsten, vielsprachigsten und, das lässt sich heute noch sehen, auch anmutigsten Metropolen Europas.
    Noch ist die glorreiche Vergangenheit nicht auferstanden, noch trennen Welten die am nächsten beieinanderliegenden Hauptstädte der Welt. Doch der Motor der slowakischen Entwicklung ist warmgelaufen, und wenn Bratislava zurückfindet zum Wohlstand des Westens, wird es wieder, was es war.

    Slowakei

    Ulrich Schmid ist NZZ-Auslandkorrespondent in Prag.
    Fotos: Lucia Nimcova, Humenne.
    NZZFolio 4/2004