Bundesgerichtshof entscheidet über Online-Durchsuchungen
Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am Montag, ob die Polizei Computer heimlich online durchsuchen darf, gab das Karlsruher Gericht am heutigen Freitag laut dpa bekannt.
Mit dem Beschluss will der BGH klären, ob die bisherigen gesetzlichen Grundlagen für Online-Durchsuchungen ausreichen. Ein BGH-Ermittlungsrichter hatte dies im Februar des vergangenen Jahres bejaht, ein anderer Ermittlungsrichter hatte dagegen im November das heimliche Ausforschen von Computerfestplatten für unzulässig erklärt. Die Bundesanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt, so dann nun der 3. Strafsenat eine abschließende Entscheidung fällen muss. Anzeige
BGH-Ermittlungsrichter Ulrich Hebenstreit hatte eine Anwendung der Vorschrift über die Hausdurchsuchung schon deshalb abgelehnt, weil diese offen und in Anwesenheit des Betroffenen stattfinde, während das Ausspähen von Daten mithilfe eines Trojaners heimlich vor sich gehe. Er verglich solche Maßnahmen mit dem großen Lauschangriff, weil die auf einem Computer gespeicherten Daten oft ähnlich sensibel seien wie eine vertrauliche Unterhaltung in den eigenen vier Wänden. Angesichts der Datenfülle könne der Betroffene zudem zum "gläsernen Menschen" werden; gespeicherte Dateien könnten mitunter auch Tagebuchqualität haben. Ein derart gravierender Eingriff in die Rechte Betroffener könne nicht ohne eigenständige gesetzliche Grundlage angeordnet werden, argumentierte der Richter.
Die Entscheidung ist politisch brisant, weil das Bundesinnenministerium erst vor kurzem die technischen Voraussetzungen für Online-Durchsuchungen beim Bundeskriminalamt verbessern wollte. Damit sollten nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unter anderem die Aufklärung möglicher Terrorplanungen verbessert werden. Wenn der BGH die Vorschriften der Strafprozessordnung als nicht ausreichend einstuft, müsste dafür zunächst eine Regelung geschaffen werden.
Im nordrhein-westfälischen Verfassungschutzgesetz ist die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung bereits seit kurzem festgehalten; dagegen ist aber eine Verfassungsklage geplant. Schäuble hatte die Möglichkeit für einen "Bundestrojaner" in seinem 132 Millionen Euro schweren Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit anfangs nur angedeutet. Als "Bundestrojaner" wird inoffiziell der Teil eines Programmes bezeichnet, der Spyware-Code auf einen PC einschleust, damit eine Online-Durchsuchung durch die Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste möglich wird. Auf eine Anfrage der Grünen hatte das Bundesinnenministerium dann Anfang Januar mitgeteilt, dass für die Programmierung der Software zwei Programmierstellen notwendig seien, die teils aus laufenden Mitteln, teils von Mitteln aus dem Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit bezahlt werden. Insgesamt soll das Tool zur Online-Durchsuchung nicht mehr als 200.000 Euro kosten.
Unterstützung bekam Schäuble vor kurzem vom Dieter Wiefelspütz, Innenexperte der SPD-Fraktion im Bundestag. Er ist zwar der Ansicht, dass für die "Online-Durchsuchung" gegenwärtig keine angemessene Rechtsgrundlage gebe. Wiefelspütz sprach sich aber dafür aus, "dass man da ran kann, wenn es wichtige Gründe gibt". Daher müsse man darüber diskutieren, "was denn da eigentlich so privat ist" im Online-Bereich und "was das Schlafzimmer im Internet" sei. Es könne nicht sein, dass "wir wunderbare technische neue Welten schaffen und die Sicherheit hinterherhinkt". Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten und den Erwägungen über Verletzung der Grundrechte kommen in der politischen Diskussion die technischen Unwägbarkeiten und die mögliche Unwirksamkeit eines Bundestrojaners, die sich angesichsts der heutzutage gegen kriminelle Machenschaften von Viren- und Trojanerschreibern sowie Botnetzbetreibern empfohlenen Schutzmaßnahmen für Internetnutzer ergeben, kaum vor. Für den Bundesgerichtshof zumal dürften diese Fragen aus grundsätzlichen Überleungen heraus keine Rolle spielen.
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Wiefelspütz sprach sich aber dafür aus, "dass man da ran kann, wenn es wichtige Gründe gibt". Daher müsse man darüber diskutieren, "was denn da eigentlich so privat ist" im Online-Bereich und "was das Schlafzimmer im Internet" sei.
Ach, Politiker und ihre Realitätsverdreherei. Auch wenn man versucht ist, simple Unwissenheit als Ursache für derart weltfremde Zweckanalogien anzunehmen, darf das nicht von der zunehmenden Gefahr für Bürgerrechte (die die "freiheitliche Demokratie" mit definieren) ablenken.
Man kann doch "da ran, wenn es wichtige Gründe gibt" - und das schon seit jeher. Hinreichender Tat- oder Gefährdungsverdacht, richterlicher Beschluß, Hausdurchsuchung, Rechnerbeschlagnahme und -auswertung. Basta. Man braucht auch nicht darüber spekulieren, was "im Online-Bereich privat sei" - das ist der Rechner und sein Inhalt. Den hat sein Besitzer ja garantiert nicht uneingeschränkt in "den Online-Bereich" stellen wollen. Wie sein Tagebuch, seine Bankauszüge, seine Liebesbriefe und von mir aus sogar seine Wichsvorlagen ist auch der Festplatteninhalt erst mal per se privat; das ist ja nicht automatisch gleichbedeutend mit "legal".
Sowas braucht man nicht aufzuweichen; im (belegbaren sowie von Willkür oder ungezielter Massendurchleuchtung abgegrenzten) Verdachtsfall kommen die Strafverfolgungsbehörden bei Bedarf auch mit herkömmlichen Mitteln auch an so ziemlich alles, was als privat deklariert wird.
Es muss einen daher mit großer Sorge erfüllen, wenn die Definition grundgesetzlicher Werte wie die Unverletzbarkeit der Wohnung, der Privatsphäre etc. immer wieder von neuem mit Stammtisch-Begründungen wie Pädophilieverfolgung oder Terrorismusbekämpfung infrage gestellt wird.
Denn der nächste Schritt ist leicht vorhersehbar: wenn erst mal eine Hintertür am Grundgesetz vorbei in die Privatsphäre oder Wohnung (BTW: wie definiert sich eigentlich die in einer zunehmend (teil-)virtuellen Welt?) geöffnet wird, die auf der Neudefinition solcher Begriffe aufsetzt - dann kann man natürlich auch die bisherigen Bürgerrechte qua Präzedenzfall ausser Kraft setzen. Wenn ich erst mal unerkannt und - vor allem! - in Massen Mails oder Online-Bankkonten ausspähen darf: wie lange wird es dann noch dauern, bis einer die Analogie erkennt und von jedem Bürger - am besten noch auf dessen Kosten - die vorbeugende Hinterlegung eines Zweit-Wohnungsschlüssels beim Einwohnermeldeamt zwecks Routinedurchsuchungen nach dessen Ermessen verlangt?
Auch neue Pseudo-Rechte wie das auf "informationelle Selbstbestimmung" sind doch nur Volksverdummung. Was hilft's mir, wenn mir irgendwer theoretisch Informationen über die von mir gesammelten Daten erteilen müsste - wo ich gar nicht weiss, dass es ihn gibt, wer er ist und bei wem ich dieses Recht also geltend machen könnte? Und wer berücksichtigt, dass ich diese Informationen gar nicht erst erhoben, zusammengeführt und in (missbrauchbare) Profile und Scores umgewandelt haben will?
So ist denn auch der finale Schritt zu einer Totalüberwachung nur noch ein ganz kleiner. Früher haben wir ja auch mal gedacht, es würde sich schon kein Bösewicht so sehr für den eigenen Privatrechner interessieren, dass er sich stundenlang hinhockt und am besten per Akustikkoppler versucht, die Zugangsdaten für ein womöglich eh leeres Bankkonto herauszufinden - was aber, wenn das gar kein Aufwand mehr wäre? Wenn Bot-Netze in kurzer Zeit und rund um die Uhr Millionen von Rechnern scannen, angreifen oder missbrauchen? Tja, so sieht die Klicki-Bunti-Welt aber mittlerweile aus...
Immer neue Exploits belehren einen da eines Besseren: wenn die Massensuche nach ungeschützten Rechnern, Access-Points und den dahinterliegenden Daten nicht mal mehr 14-jährige Scriptkiddies überfordert, wird's nebenher zum Zeitvertreib gemacht. Dem Staat mit seinen Ressourcen fällt Ahnliches noch viel leichter (ohne dass gleichzeitig auch nur genug Kompetenz vorjanden wäre, um alleine schon die Beschädigung persönlicher Rechte durch Bedienungsfehler abzufangen). So ein vielleicht auch bloss ein bißchen gelangweilter oder neugieriger Beamter (oder einer, dem der Besitzer des angesprochenen Rechners am letzten Wochenende die Freundin ausgespannt hat) muss nicht mal die Online-Kosten tragen. Die bezahlt im der Bürger mit seinen Steuern, also wir.
Also wird Derartiges auch vergleichsweise schnell IRL geschehen. Und wenig später wird es dann nur noch heissen "das ist halt Vorschrift, da kann ich auch nichts machen.
Schon vor veinigen Jahrzehnten habe ich - andere Erscheinungsformen, aber dasselbe Problem - erregte Diskussionen mit meinem Vater zu ähnlichen Themen geführt. Rasterfahndung, Verschärfung der Landfriedensbruchgesetze, Ausspionierung der privaten Meinungsäußerungen von Lehrern - all das hat mich als jungen Menschen umgetrieben, während der "Generation Papa" dazu schon damals nichts Besseres als "wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten" eingefallen ist.
Nun: man braucht nicht mal die vielbemühte "jüngere deutsche Geschichte" (obwohl die durchaus dafür geeignet ist) heranzuziehen, um die Unsinnigkeit und Gefährlichkeit solcher Stammtischparolen zu illlustrieren. Da reichen schon einfachere Vorstellungen: was ich mit meiner Freundin im Schlafzimmer treibe oder am Frühstückstisch über Bekannte diskutiere, ist keineswegs illegal - trotzdem empfände ich den unkontrollierten Transport von beidem aus unseren vier Wänden heraus durchaus als etwas, das man zu "befürchten" hat. Und wenn man mal mitbekommen hat, wie dankbar selbst durch theoretische Vertraulichkeitsvereinbarungen gebundene Angestellte wie Steuerfachgehilfen, Buchhalter o.ä. Tratschthemen über gemeinsame Bekannte aufgreifen, wird auch klar, weshalb - da bedarf es gar keiner kafkaesken Horrorszenarien. Obwohl die dann auch nicht mehr fern wären.
Mein Vater wird heuer 70. Der hat die Brisanz schon lange eingesehen; die satte Selbstgerechtigkeit des "wer nichts zu verbergen hat..." ist ihm heute sehr peinlich. Unsere Herren (und Damen) Politiker, genauer Parteipolitiker, die sich immerhin über Leben und Zukunft des in ihren Augen ja doch nur dummen Stimmviehs zu entscheiden anmaßen, sind von diesem (erfahrungsmäßigen wie auch moralischen) Reifegrad noch sehr weit entfernt
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Stefan
Finde ich toll, dass du dich mit dem Thema so auseinandergesetzt hast und uns auch noch an deinen Gedanken teilhaben hast lassen.
Schön, dass es doch noch einige gibt, die diesen Spruch: "wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten" zurecht ad absurdum führen.
Danke für diesen sehr anregenden Post.
Jenny -
und es gibt mehr und mehr Gegenwind.
Harsche Kritik an Online-Durchsuchungen
Ex-Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP) hält die heimliche Online-Durchsuchung von Computern durch die Polizei für "schlimmer als den Großen Lauschangriff", meldet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner kommenden Ausgabe. Das Ausspähen des Privatcomputers per Internet – etwa auf der Basis eines "Kommissar Trojaner" nach Schweizer Vorbild – sei ein "brutalerer Eingriff" als alle bisherigen Ermittlungsmethoden: "Der PC ist ja wie ein ausgelagertes Gehirn."
Am Montag gibt der Bundesgerichtshof (BGH) bekannt, ob er verdeckte Online-Durchsuchungen in Strafverfahren bereits auf der Grundlage bestehender Gesetze für möglich hält. Gegen ein nordrhein-westfälisches Gesetz, das dies auf Landesebene legalisieren will, haben Bürgerrechtler bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt. Hirsch hält solche Überwachungen per "Computerwanze" allenfalls für zulässig, "wenn dabei mindestens derselbe Schutz für den Kernbereich privater Lebensgestaltung greift wie beim Großen Lauschangriff". Bei der akustischen Wohnraumüberwachung hatte Hirsch mit einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde drastische Einschränkungen durchgesetzt. (gr/c't)
Quelle -
Bundesgerichtshof verbietet heimliche Online-Durchsuchungen
Heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei sind nicht zulässig. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschied heute, die Strafprozessordnung decke nicht die heimliche Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten.
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Jetzt wird Schäuble ( ) wieder das Grundgesetz ändern wollen, wie schon bei seinem genauso idiotischen Versuch wehrlose Flieger vom Himmel zu schiessen.
Zum Glück gibt es beim BGH noch weise Menschen, welche sich nicht zum Handlanger der Politiker machen lassen.
gruß
Heinz -
Ich bin sehr froh über diese Entscheidung. Denn wem hätte sie wirklich genutz? Nur der Musik- und Filmindustrie. Für die Polizei bleibt weiterhin die Wahl der realen Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung von Hardware bestehen.
Viele Grüße
Eric -
Kennt jemand die Satire- Serie ‚kein schöner Land’?
Die lief vor zig Jahren mal als Mehrteiler im Fernsehen und handelt von einem Provinz- Politiker, der dann irgendwann auch mal im Bundestag saß und als Kernziel seiner Politik ‚Pilzberatungsstellen’ eröffnen wollte und von allen Seiten dafür nur Kritik und Gelächter erntete.
Genau so kommt mir der Schäuble auch vor, erst die Sache mit den Flugzeug- Abschüssen, jetzt die Online- Durchsuchung und er lässt nicht locker. Wie schön wäre es doch, wenn er nur Pilzberatungsstellen eröffnen wollte.Gruß,
Frank
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es war ja abzusehen
Schäuble heizt nach BGH-Urteil Debatte um Online-Durchsuchung anDie Entscheidung des Bundesgerichtshofes, nach der heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei unzulässig sind, wird quer durch alle politischen Lager diskutiert. Als Dienstherr der Polizei forderte Bundesinnenminister Schäuble die rasche Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Online-Untersuchung. Die Gewerkschaft der Polizei verlangte, mit der neuen gesetzlichen Regelung auch die Behinderungen durch das Datenschutzrecht zu beseitigen. Der Bund deutscher Kriminalbeamter möchte von der Politik, dass schnell gehandelt werde, damit es keinen Freifahrtschein für Kriminelle auf unabsehbar lange Zeit gebe. Hingegen wurde das Urteil durch den Bundesdatenschützer Peter Schaar, von der FDP, den Grünen und der Linksfraktion begrüßt. Die Bürgerrechtlerin Twister (Bettina Winsemann), die gegen einen entsprechenden Beschluss zur Online-Durchsuchung durch den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen Verfassungsbeschwerde einlegen will, sieht angesichts der geplanten Gesetzesänderungen keinen Grund zum Jubeln.
Kurz nach der Veröffentlichung des BGH-Urteils veröffentlichte das Bundesinnenministerium die Stellungnahme von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Schäuble bezeichnete es als unerlässlich, dass Strafverfolgungsbehörden eine verdeckte Online-Durchsuchung durchführen könnten und forderte eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung. Unterstützung erhielt Schäuble von der Gewerkschaft der Polizei. "Die herkömmlichen Ermittlungsmethoden, wie zum Beispiel Wohnungsdurchsuchungen, müssen auch im virtuellen Wohn- oder Arbeitsraum möglich sein", erklärte Gewerkschaftsvorsitzender Konrad Freiberg. In einer weiteren Pressemeldung forderte Freiberg die Politik auf, mit den geplanten gesetzlichen Änderungen auch die Kronzeugenregelung wieder einzuführen. Zu den weiteren dringlichen Punkten zählte Freiberg "die Beseitigung der Behinderungen für eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch das bestehende Datenschutzrecht".
Kritik an der Vorgehensweise der Politik äußerte Kurt Jansen, Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter. Jansen bemängelte, dass nicht schon im Vorfeld des BGH-Verfahrens eine neue gesetzliche Grundlage erarbeitet worden sei. Nun würde viel Zeit damit vertan, während die Kriminellen einen Freifahrtschein erhalten hätten, das Internet zu benutzen, das Jansen als "Universität des Terrors" definierte. Ein schnelles Verfahren und eine schnelle Entscheidung seien aber nach dem Vorbild der Telefonüberwachung machbar. "Wir möchten natürlich nicht, dass bei jeder x-beliebigen Ermittlungsmaßnahme Polizei oder Sicherheitsbehörden dem Bürger auf den Rechner gehen", erklärte Jansen im Gespräch mit dpa. Die prinzipielle Möglichkeit zur Online-Durchsuchung diene aber dem Schutz der Bürger.
Für die SPD nannte Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, das Urteil "außerordentlich bedeutsam". Gleichzeitig stellte er fest, dass die Möglichkeiten einer verdeckten Online-Untersuchung, gestützt durch einen Richtervorbehalt, dringend gebraucht würden: "Die Online-Durchsuchung ist weder eine Hausdurchsuchung noch eine Abhörmaßnahme, sondern etwas drittes, für das wir keine klare Rechtsgrundlage haben", sagte Wiefelspütz gegenüber dpa.
Gegenüber der Frankfurter Rundschau erklärte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, dass man auf eine Online-Durchsuchung nicht verzichten könne, weil sonst eine "erhebliche Ermittlungslücke in der Strafverfolgung bestehe". Als "hilfreich und gut" bezeichnete der CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann das Urteil, weil es zeige, dass dem Datenschutz eine hohe Bedeutung eingeräumt werde. Entsprechend müsse bei der Neufassung eines entsprechenden Gesetzes der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" genau definiert werden.
Für die Linksfraktion äußerte sich ihr Innenpolitiker Jan Korte. Er forderte den Bundesinnenminister zu einer Kehrtwende in seiner Politik auf: "Es kann nicht sein, dass der Innenminister sich ständig neue Spitzelmethoden einfallen lässt und erst im Nachhinein die Rechtslage klärt." Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, betonte in ihrer Stellungnahme, dass der fanatische Übereifer des Innenministers dem Rechtsstaat schade. "Heimliche Online-Durchsuchungen sind Methoden des Überwachungsstaates und gehören nicht in das Repertoire eines Rechtsstaates." Eine weitere Stellungnahme stammt vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Partei. Er betonte, dass die Online-Durchsuchung nur dann zur Anwendung kommen dürfe, wenn alle anderen Ermittlungsmethoden versagt hätten.
Jerzy Montag und Wolfgang Wieland zeichnen für die Stellungnahme der Grünen verantwortlich, in der es heißt, dass "Schäuble und Zypries beim Hacken erwischt" worden seien. "Wir fordern die Entwicklung von Hackersoftware im Bundesinnenministerium jetzt sofort zu stoppen. Erst schießen, dann fragen darf nur ein Sheriff im Wilden Western – nicht aber der Bundesinnenminister." Auch das vom NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) vorgelegte und vom Landtag beschlossene Gesetz über die verdeckte Online-Durchsuchung sei mit dem BGH-Urteil höchst bedenklich, so die grünen Experten.
Gegen das NRW-Gesetz hat die Bürgerrechtlerin Twister bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt. In ihrem Text zum BGH-Urteil heißt es, dass das Urteil noch kein Grund zum Jubeln sei. Jetzt müsse die Zivilgesellschaft erst recht den Kampf gegen die Quasi-Abschaffung der Privatsphäre angehen.
Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, forderte schließlich in seiner Stellungnahme die Bundesregierung dazu auf, ihre Pläne zur Online-Durchsuchung aufzugeben. Das Projekt soll nach Schaar vor allem darum aufgegeben werden, weil es nachhaltig das Vertrauen in die Sicherheit des Internet schädigen würde. "Bisher wurden Nutzer und Hersteller von Computerprogrammen gewarnt, wenn staatliche Stellen – etwa das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik – Sicherheitslücken festgestellt hatten und es wurden ihnen Wege zu deren Behebung aufgezeigt. Sollen etwa in Zukunft derartige Warnungen unterbleiben, weil staatlichen Stellen ansonsten das Eindringen in Computer über das Internet erschwert würde? Oder sollen die Hersteller zukünftig 'Hintertüren' in ihre Software einbauen, die Online-Durchsuchungen ermöglichen?"
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Karl Betzl bezeichnete heimliche Online-Durchsuchungen als eines Rechtsstaats unwürdig. Er warnte zudem vor immensen Schadenersatzforderungen gegen den Staat, falls Ergebnisse von Online-Durchsuchungen in die falschen Hände geraten. "Es ist unkontrollierbar, wie sich staatliche Ausforschungssoftware weiter verbreitet", sagte Betzl. "Der Staat dürfte wohl auch für Trittbrettfahrer mithaften, die die staatliche Ausforschungssoftware missbrauchen."
Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten und den Erwägungen über Verletzung der Grundrechte kommen in der politischen Diskussion die technischen Unwägbarkeiten und die mögliche Unwirksamkeit eines Bundestrojaners und von Online-Durchsuchungen bislang allerdings kaum vor. Angesichts der heutzutage gegen kriminelle Machenschaften von Viren- und Trojanerschreibern sowie Botnetzbetreibern empfohlenen Schutzmaßnahmen für Internetnutzer dürften die Entwickler des Bundestrojaners mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, eine Online-Durchsuchung einfach so, wie sich die Politik dies vorstellt, zu realisieren – zumal Terroristen und Cyberkriminelle nicht dafür bekannt sind, sich völlig naiv im Web zu bewegen und willenlos jeden Mailanhang anzuklicken oder dubiose Webseiten zu besuchen. Für den Bundesgerichtshof spielten diese technischen Fragen bei seiner Entscheidung aus grundsätzlichen Überlegungen heraus sowieso keine Rolle.
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CDU-Innenminister Schünemann will unbeschränkten Computer-Zugriff
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat einen unbeschränkten Online-Zugriff auf Computer verdächtiger Personen gefordert.
Heimliche Online-Durchsuchungen seien ein unerlässliches Instrument für die Strafverfolgung. "Wenn wir diese Methode nicht nutzen, hätten wir in der Strafverfolgung eine weltweite Lücke." Die Folge wäre ein großer Rückstand der Sicherheitsbehörden, sagte Schünemann am Mittwoch der "Netzeitung".
Der Minister reagierte auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), der das heimliche Ausspionieren von Computern über das Internet wegen fehlender Rechtsgrunde untersagt hatte. Bei einer zu schaffenden gesetzlichen Regelung darf es nach Auffassung Schünemanns keine Beschränkung für das Abgreifen von Daten durch die Strafverfolger geben. "Nur weil das Internet ein neuer Kommunikationsweg ist, darf der Zugriff nicht eingeschränkt werden."
Zudem würden die Daten nach den Regeln des Datenschutzes behandelt. Schünemann: "Wenn nichts vorliegt, wird wieder gelöscht." Für einen heimlichen PC-Check sei überdies ein richterlicher Beschluss nötig - ähnlich wie bei einer Hausdurchsuchung. "In der Regel werden die Betroffenen nach der Festplatten-Durchsuchung auch informiert", versicherte der Innenminister.
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"In der Regel werden die Betroffenen nach der Festplatten-Durchsuchung auch informiert", versicherte der Innenminister.
Wie das dann aussehen dürfte, weiß ich seit gestern. Da habe ich nämlich zufällig im TV die Nachricht über das erfolgreiche Ausheben eines Kinderpornorings mitbekommen. Während mir die Schicksale der Kinderf*** total hinten vorbei gehen, hat mich ein ganz anderer Satz des Berichts aufhorchen lassen:
"Im Zuge dieser Ermittlungen wurden in einer bisher beispiellosen Aktion nahezu alle deutschen Kreditkarteninhaber überprüft."
Daran finde ich Folgendes interessant:
- waren da -zig Millionen Deutsche "verdächtig" bzw. hat da offenbar ein Richterbeschluß für Millionen Überprüfungen ausgereicht? Dann wissen wir ja, wie's mit den Online-Durchsuchungen gedacht ist...
- sieht so die nachträgliche Information der Betroffenen aus? In Form einer Fußnote der Privatsender-Nachrichten? Bedeutet "in der Regel" am Ende "nicht durch uns, aber wenigstens durch die Presse, wenn die Bock drauf hat"? Spart immerhin (Steuer-)Porto...
Noch einmal: wenn die Technik für (gar routinemäßige) Massenüberwachung und -ausforschung erst mal da ist, sinken die Hemmschwellen für deren Anwendung beim Staat rapide. Und wenn die Anwendung erst mal Routine geworden ist, verändert sich die Gesellschaft. Das darf einen nicht mal im Ausland völlig kalt lassen; die USA sind mit dem "Carnivor"-Programm (automatisierte Überwachung und Auswertung von Mails) unter der Flagge der Terrorbekämpfung längst ganz nebenbei zum größten Industriespion der Welt geworden.
Hätte man bei uns vor einem Dreivierteljahrhundert die Kommunikation und Datenhaltung der halben deutschen Bevölkerung überwachen und auswerten können, ohne dafür die andere Hälfte mit einem Vollzeitjob zu beschäftigen, würde unser Land heute anders aussehen. Könnte man heute schon heimlich Rechner ausforschen und die Daten nachher zu löschen "vergessen", wohl auch - man kann zum Beispiel auf die Idee kommen, dass einem Edmund S. geeignete Informationen zur Konstruktion (denn das geht immer) einer Verächtlichmachung einer Frau P. zugespielt worden wären, statt dass sich der auf konventionelle, aber plumpe Versuche "übereifriger" Mitarbeiter verlassen musste. Vor einigen Jahrzehnten hat das Ertappen lauschender Mitarbeiter noch einen Herrn Nixon das Amt gekostet; was hätte der damals für eine Technologie gegeben, mittels derer er sich bloß ein paar Dateien hätte zuspielen lassen müssen?
Und noch ein Wort zur Technologie: was die angeht, ist der böse Bube dem "Wachtmeister Dimpflmoser" prinzipbedingt immer eine Nasenlänge voraus. Wer hat denn zuerst Handy-Verschlüsselung, High-Tech-Einbruchsgerät, Radarwarner oder was weiß ich eingesetzt? Die Beamtschaft stellt doch immer erst mit Erstaunen fest, was die wirklich Kriminellen machen, lernt die Technik kennen, verbietet sie dann und will sie schließlich - (Fleißkärtchen für den Datenkasper, der im LKA auf den "Bundestrojaner" verfallen ist, der gilt in seinen Kreisen vermutlich als vielversprechendes, innovatives Talent mit guten Beförderungsaussichten - würde aber im Kreise irgendwelcher Warez-Hacker vermutlich weggelacht) - selber anwenden, was sie vermutlich als Gipfel der Kreativität versteht.
Nun: bis dahin haben die Kriminellen und die Terroristen längst neue Organisationsstrukturen geschaffen und ganz andere Techniklevel erreicht. Beispiel Neonazis; die nutzen das Internet mit einer erschreckenden Effizienz, obwohl ihre dumpfe Weltsicht doch eigentlich nahelegen müßte, ein Trupp aufgeweckter Jungs bei den Strafverfolgungsbehörden könne ihrer im Handumdrehen Herr werden. Fakt ist nun mal: so einen Bundestrojaner, egal ob Rootkit oder konventionell, wird jemand, der wirklich etwas Schwerwiegendes zu verbergen hat, mit nur wenig Aufwand aushebeln können.
Und so zeigt sich dieses Instrument der Online-Überwachung als das, was es wirklich ist: nicht das dringend notwendige Utensil zum Fangen großer Fische, sondern als gewolltes Mittel zur Flächenüberwachung von Millionen Aldi-Computerkäufern, die zu doof sind, nicht auf die Anhänge unerwarteter Post von der Bank zu klicken. Da lassen sich garantiert Hunderttausende Bagatellfälle "aufklären", was sich in der Statistik ja auch ganz gut macht; dramatischer allerdings empfinde ich den Missbrauchsfall durch all die Menschen, die an dieser Informationsgewinnung beteiligt sind und vielleicht bei einem Kommunalpolitiker oder so ein paar Pluspunkte sammeln wollen.
Noch ein Satz aus den gestrigen Nachrichten kommt mir da in den Sinn: die Anzahl von Online-Zugriffen durch Behörden auf Bankkonten, erst vor relativ kurzer Zeit u.a. mit der Rechtfertigung "Bekämpfung des organisierten Verbrechens" legalisiert und ebenfalls mit großen Worten auf den "Verdachtsfall" beschränkt, hat sich im letzten Jahr vervierfacht! Haben wir also nun viermal so viele Verdächtige wie im Vorjahr, oder wird - ein Schelm, der Böses dabei denkt - da der Begriff des "Verdachts" ziemlich frei ausgelegt? Wenn solche Dinge erst mal aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten - und die hat ja leider Interessanteres wie zum Beispiel die Suche nach Deutschlands nächstem Superstar zu verfolgen - regeln behördeninterne Durchführungsbestimmungen, was IRL gemacht wird. So habe ich mir die "freiheitliche Demokratie", auf die ich eigentlich doch recht stolz bin, aber nicht vorgestellt.
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Tja Stefan leider sind Deine schlimmsten Befürchtungen schon Realität.
Windows user bekommen den Bundes-Trojaner (der Vergleich Festplatte=
ausgelagertes Hirn trifft es genau, finde ich) installiert.
Und wer Vista einsetzt hat nicht nur die Backdoor für den BND (und jeden
Dorfpolizisten, Finanzbeamten, etc.) sondern auch noch eine Backdoor
für den CIA. Lustig, oder?
Und inzwischen gibt es nur noch Reisepässe mit Biometriedaten, d. h. eine
lückenlose Überwachung der gesamten Bevölkerung. Davon hätten bisherige
Macht-Systeme nur geträumt. (Gefängnis ist dagegen harmlos)
Was ich nicht verstehe: warum muss ich dann noch ein Konto einrichten oder
meinen Pass vorzeigen? Die Gesichtserkennung hat mich doch längst aus der
Datenbank identifiziert... -
Hallo,
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