BERLIN, 12. April. Die Verbraucherverbände in Deutschland haben der Autoindustrie den Kampf angesagt. Sie wollen verhindern, dass die Konzerne immer mehr schwere, umweltschädliche Geländefahrzeuge für den Straßenverkehr verkaufen. "Es ist absurd, dass diese schweren Autos als Nutzfahrzeuge eingestuft werden und dadurch noch in den Genuss von Steuervergünstigungen kommen", klagt die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), Edda Müller. Die Bundesregierung müsse dringend handeln und die Kraftfahrt-Zulassungsverordnung ändern. Außerdem müsse der Spritverbrauch eines jeden Autos klar ausgewiesen werden, fordert die VZBV-Chefin.
Schwere, hoch motorisierte Wagen wie der Touareg von Volkswagen, der Mercedes ML 270 oder der BMW X5 werden von Umwelt- und Verbraucherschützern bereits seit geraumer Zeit als "Diesel-Panzer" verspottet. Im Stadtverkehr schlucken sie mitunter 15 Liter Kraftstoff oder mehr. Doch der Bundesfinanzhof meint es gut mit den Besitzern. Vor sechs Jahren stellte er klar: Wer einen solchen Wagen fährt, muss sich nicht um Hubraum oder Abgase scheren. In einem früheren Urteil hatten die Richter festgestellt, dass ein Pkw nicht schwerer als 2,8 Tonnen sein dürfe. Im Umkehrschluss heißt das: Alle Autos, deren zulässiges Gesamtgewicht 2,8 Tonnen übersteigt, müssen vom Fiskus als leichte Nutzfahrzeuge betrachtet werden.
Dieser Trick macht die Brummer gegenüber normalen Autos zu Steuersparern. Beispiel Mercedes ML 270 CDI. Wäre das Gefährt mit 2,7-Liter-Motor ein normaler Pkw, würde er jährlich 433 Euro kosten. Aber in den Augen der Finanzbeamten ist er ein kleines Nutzfahrzeug. 2 870 Kilogramm wiegt ein voll beladener ML 270, es fallen deshalb nur 172 Euro Steuern an. An Tempolimits und Überholverbote für Lkw müssen sich die Fahrer gleichwohl nicht halten. Der bullige Mercedes schafft 185 Kilometer in der Stunde.
Dass der ML 270 als Pkw so hoch besteuert würde, liegt daran, dass er ein Diesel ist und viele Schadstoffe in die Luft bläst. Er erfüllt nur die Abgasnorm Euro 3 für leichte Nutzfahrzeuge und wird damit den Euro-2-Pkw gleich gestellt. Der VZBV hat in der Vergangenheit gegen DaimlerChrysler, BMW und VW geklagt, weil die Autohersteller damit geworben hatten, dass ihre Diesel-Offroader die Euro-3-Norm erfüllten. Sie verschwiegen allerdings, dass es sich dabei nur um die Norm für kleine Lkw handelt. "Als wir die Hersteller deshalb wegen irreführender Werbung abgemahnt haben, sind wir vor Gericht gescheitert. Das Argument war, dass sich die Verbraucher nicht für die Umwelteigenschaften des Autos interessierten", sagt VZBV-Chefin Müller.
Auch der neue Porsche Cayenne, ein Benziner mit 3,2 Liter Hubraum, gilt als rollender Umweltzerstörer. Er erfüllt zwar die Sauber-Norm Euro 4. Für ihn verlangt der Fiskus nur 216 Euro. Aber der der Wagen ist durstig. Innerorts schluckt er 17,8 Liter Sprit auf 100 Kilometern.
Zum Bedauern der Verbraucherschützer sind auf Deutschlands Straßen immer mehr Geländewagen unterwegs. Zu Beginn dieses Jahrs waren nach Angaben des Kraftfahrbundesamts bereits 830 000 derartige Autos zugelassen - rund 12 Prozent mehr als am 1. Januar 2003. Autohändler berichten von anhaltend hohen Verkaufszahlen. Die Wagen seien eben in Mode, heißt es.
Doch Verbraucherschützer und Verkehrsclubs bemängeln an den Autos nicht nur den hohen Verbrauch und die oft schlechten Abgaswerte - sondern auch die Gefahren bei Unfällen.
Wenn ein normales Auto einen Passanten anfährt, trifft es ihn am Unterschenkel. Das Opfer schlägt auf der Motorhaube oder der Windschutzscheibe auf. Das federt des Aufprall etwas ab. Geländewagen sind jedoch höher gebaut und stoßen Fußgänger daher um. Kinder werden sogar am Kopf getroffen. Im schlimmsten Fall werden die Opfer anschließend überrollt.
Wie gefährlich Geländewagen sein können, belegten in den vergangenen beiden Jahren die Tests nach Euro NCAP: Fast alle Offroader erhielten beim Fußgängerschutz nur einen von vier Sternen.
Wie gefährlich Geländewagen sein können, belegten in den vergangenen beiden Jahren die Tests nach Euro NCAP: Fast alle Offroader erhielten beim Fußgängerschutz nur einen von vier Sternen
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