Flexibilität und Uhrik
Das VW-Werk in Bratislava gehört weltweit zu den modernsten Autofabriken
Von Carsten Krebs
Der heimliche Wirtschaftsminister der Slowakei heißt Dr. Jozef Uhrik – so zumindest, etwas überspitzt, ist der Eindruck, wer der 64-jährigen Vorstandschef von VW-Slovakia beobachtet. Er scheint viele wichtige Fäden in der Hand zu halten. Sätze wie "Da mussten wir dann noch die Arbeitszeitregelung verändern", gehen ihm locker über die Lippen. Rasch wird klar: Für VW ist der frühere Regierungsvertreter ein Glücksfall.
Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs machte sich Volkswagen gen Osten auf – als erster großer Automobilbauer. Seitdem investierte der Konzern gut sieben Milliarden Euro in den Bau von zwölf Werken in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei – zu günstigen Konditionen. Und nicht selten hatte Jozef Uhrik seine Finger mit im Spiel.
Investitionsförderungen, Vergünstigungen und bedarfsgerechte Arbeitsmarktgesetze haben seit dem Zerfall des Ostblocks ausländische Investoren gelockt. Und so ist es kein Wunder, dass eines der Aufsteiger-Modelle, der Touareg, auf der grünen Wiese vor Bratislava gebaut wird – im osteuropäischen Aufsteigerland Slowakei.
Das 2,4 Tonnen schwere Gefährt wird in einer der modernsten Fabriken von VW gefertigt. Wer die Montage betritt, erkennt erst auf den zweiten Blick, dass es sich um eine Automobilfabrik handelt. Eine Licht durchflutete Riesenhalle, kein Rattern, kein Zischen, keine Ölgerüche, fast geräuschlos läuft der Touareg und auf der zweiten Montagelinie der Polo und Seat-Ibiza über das Band. Der weiße Boden und das Montage-Holzparkett sind blitzeblank, ferngesteuerte Transporter bringen Komponenten an die Montagelinie. Hightech in der Slowakei!
Aber nicht nur die Anmutung stimmt. Auch die Zahlen: Die vom Vorstand anvisierte Kapitalrendite von neun Prozent wird in Bratislava locker erreicht, ja sogar weit überschritten, sagt Finanzvorstand Manfred Bauder. Im Konzern (ohne Finanzdienstleister) liegt sie derzeit bei 2,2 Prozent – meilenweit vom Ziel entfernt. Auch im konzerninternen Fabrik-Vergleich liegt Bratislava auf Rang drei von 18 Werken.
Als entscheidender Erfolgsfaktor wird stets ein Begriff genannt, der dort Kultcharakter erreicht hat und Deutschland das Fürchten lehrt: absolute "Flexibilität". Ganz gleich welches Vorstandmitglieds gefragt wird, die Antworten sind immer gleich: "Der Flexibilität wird bei uns alles untergeordnet", sagt Thomas Schmall, Vorstand Technik.
Ein Beispiel: 2003 bewegten sich die Montagebänder zeitweise an sieben Tagen in der Woche. Zwanzig von denkbaren 21 Schichten wurden gefahren. "Das ist es, was den Standort auszeichnet", so Bauder.
Das war schon 1990 so, damals rangen VW und General Motors um den Bau der ersten Autofabrik in Bratislava – nachdem sich zehn weitere Kandidaten aus dem Wettbewerb verabschieden mussten. "Damals wie heute hat das Argument der Flexibilität und der Wille zum langfristigen Engagement des Unternehmens gezogen", sagt der Vorstandschef Uhrik, der im Dezember das Zepter an einen Jüngeren weiterreichen will. Eine spätere Beraterfunktion nicht ausgeschlossen...
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