Servus zusammen!
Am 25.09.2020 hatte ich Gelegenheit, den brandneuen Volkswagen ID.3 als Sondermodell "1st Edition Max" einige Stunden Probefahren zu dürfen. Da das Thema Elektromobilität zwischenzeitlich nicht nur mehr bloß eine Randerscheinung ist und auch VW ja fleißig in diese Richtung geht (siehe in Kürze die Modelle ID.4 und Touareg "R" als PHEV), möchte ich euch an der Stelle an meinen Eindrücken teilhaben lassen.
Vorab: Ich konzentriere mich hier in diesem kleinen Bericht bewusst auf das Thema Fahrerlebnis, denn das Testfahrzeug hat aktuell softwareseitig noch nicht den vollen Funktionsumfang, so dass sich hier noch einige Dinge ändern werden und zusätzliche Funktionalitäten im Rahmen eines "großen Softwareupdates" nachgereicht werden. Es wäre damit aktuell wenig sinnvoll, Assistenz- und Komfortsysteme genau zu beleuchten, bzw. zu beurteilen. Beispielsweise fehlt dem verbauten Head-Up-Display noch die neue "Augmented-Reality"-Funktion, mit der bestimmte Informationen aus Sicht des Fahrers direkt auf die Straße projiziert werden.
Abmessungen/vergleichbare Fahrzeugklasse: Der ID.3 hat in Länge und Breite ungefähr die Größe des neuen Golf VIII, ist aber rund 7 cm höher. Da vorne kein Verbrennungsmotor "stört", konnte der Radstand aber beim ID.3 aber mindestens 10 cm länger ausfallen. Die "3" in der Modellbezeichnung weist - wie bei einigen anderen Herstellern auch - auf die Platzierung in der Kompaktklasse hin. Auffällig sind die relativ großen Räder, die 1st-Edition kommt - je nach Ausstattungslinie - mit Raddimensionen von 18 - 20" daher. Der schwarze Vorführwagen steht auf 20" Leichtmetallrädern namens "Sanya" und der Reifengröße 215/45. Beim Golf VIII geht es hingegen mit 15"-Rädern beim Einstiegsmodells los. Die großen Räder beim ID.3 haben indes in erster Linie mit Verbrauchsoptimierung zu tun; große und eher schmale Räder generieren einfach weniger Roll- und Luftwiderstand als kleine breite.
Dem ID.3 stehen die großen Räder allerdings gut zu Gesicht, er sieht damit auch nicht so eigenartig staksig aus wie ein BMW i3, der in der Basisausstattung mit nur 155 mm breiten aber dafür 19" hohen Reifen ausgestattet ist, die mit ihrem hohen 70er Querschnitt auch noch irgendwie ein bisschen an Ballonreifen erinnern.
Erster Eindruck vom Interieur: Puh, das sieht schon mal ganz anders aus, als es wir bislang gewohnt waren! "Luftig" könnte man vielleicht sagen. Ein klassisches Cockpit, welches einen förmlich umschließt und gefühlt ins Auto integriert, das sucht man hier vergebens.
Hinter dem Lenkrad, direkt auf der Lenksäule, sitzt ein - sehr fein auflösendes und kontraststarkes - Display, flankiert vom Navigations- und Bediensystem "Discover Pro", welches leicht zum Fahrer geneigt ist. Über das "Discover Pro" laufen auch praktisch sämtliche Einstellungen und Bedienvorgänge, der ID.3 besitzt nämlich so gut wie keine klassischen Schalter und Knöpfchen mehr.
Obwohl ich von meinem Touareg III das ebenfalls fast schalterlose "Innovision Cockpit" gewohnt bin, findet man beim ID.3 noch einige physische Bedienelemente weniger. Das geht soweit, dass es vorne für den Fahrer sogar nur noch zwei Taster für die Fensterheber gibt, welche im Ausgangszustand die beiden vorderen Fenster ansteuern. Will man die Fenster im Fond öffnen oder schließen, so muss hierzu zunächst die Sensortaste "REAR" gedrückt werden, worauf die beiden physischen Tasten dann für einige Sekunden umgeschaltet werden und die hinteren Fensterheber ansteuern.
IMG_4422_1600_autoscaled.jpgBedienelemente in der Fahrertür für Fensterheber samt Kindersicherung, Spiegelverstellung und -Heizung. Die Ambientebeleuchtung kann - je nach Ausstattungsstufe - 10 oder 30 verschiedene Farben darstellen und ist in seiner Helligkeit regelbar.
Los geht's zur Probefahrt! Wohl bei Tesla abgeschaut hat man sich den "Startvorgang" ohne erst die Start-Stopp-Taste drücken zu müssen: Mit dem Fahrzeugschlüssel in der Tasche reicht es, das Bremspedal zu betätigen und mit dem Bediensatelliten rechts vom Lenkrad die gewünschte Fahrstufe zu wählen, um das Fahrzeug startklar zu machen.
Ein leichter Druck aufs Gaspedal und der ID.3 rollt flüsterleise und völlig vibrationsfrei los über den Kundenparkplatz. Beim ersten Bremsvorgang an der Ausfahrt zucke ich zunächst mal etwas innerlich zusammen, denn das Bremsgefühl ist eigenartig "teigig", fast so, als wäre Luft im Bremssystem, der Pedalweg bis zum Ansprechen ist ungewöhnlich lang. Das liegt daran, dass dieser "Leerweg" (bevor dann schließlich hydraulisch gebremst wird) genutzt wird, um die gewünschte elektrische Bremsverzögerung zu ermitteln und entsprechend umzusetzen. Das ist dennoch gewöhnungsbedürftig, später im Kapitel "Fahrdynamik" mehr hierzu.
Die ersten paar Kilometer geht es innerorts im Stadtverkehr bei mäßigem Verkehrsaufkommen. Auf kleineren Nebenstraßen sind immer mal wieder rechts am Fahrbahnrand Fahrzeuge abgestellt, so dass bei Gegenverkehr angehalten werden muss, um den Entgegenkommenden passieren zu lassen. Und hier kommen wir auch schon zum meines Erachtens größten Vorteil eines Elektroautos: Statt die vorher aufgebrachte Bewegungsenergie, die in den 50 km/h steckt, sinnlos in Wärme "kaputt zu bremsen", erfolgt die Verzögerung hier bis ganz kurz vor dem Stand rein elektrisch. Der E-Motor kehrt seine Funktion um und fungiert als Generator, wodurch eine sogenannte Nutzbremsung erfolgen kann, um die vorhandene Bewegungsenergie wieder größtenteils in elektrische Energie umzuwandeln.
In der Praxis gestaltet sich das dann schlichtweg so, dass man im Stadtverkehr erstaunlich wenig am Akku nagt, weil hier der Luftwiderstand nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt und bei jedem Bremsvorgang wieder ein guter Teil der vorher entnommenen Akkukapazität zurück geladen wird. Das ist beim Verbrenner hingegen eben genau seine ungünstigste Situation im Hinblick auf den Verbrauch: Fahrzeuggewicht beschleunigen, Getriebeschaltvorgänge durchführen, der Motor ist dabei im eher mäßigen Wirkungsgrad-Bereich und schließlich spätestens vor der nächsten roten Ampel wieder eine reine Verlustbremsung durchführen.
IMG_4386_1600.jpgIm Stadtverkehr macht der ID.3 richtig Spaß, denn jede Betätigung des Gaspedals wird sofort und ohne jegliche spürbare Verzögerung in Vortrieb umgesetzt. Das ist unglaublich entspannend und sicher in der Handhabung, weil es keine manuelle Schaltung oder Getriebeautomatik gibt; die Reaktion aufs Gas ist immer exakt gleich. Eine Anfahrverzögerung entfällt damit komplett, Fuß aufs Gas und wusch ist man auch schon weggeflitzt. Der hier gefahrene ID.3 hat 150 kW (204 PS) und 310 Nm Drehmoment, was in der Stadt als durchaus sportlich bezeichnet werden kann, da diese Leistungsdaten vom Stand weg verzögerungsfrei anliegen und keine Schaltvorgänge den Kraftfluss unterbrechen.
Fazit Stadtverkehr: Das angenehm leise Dahinrollen und die verzögerungsfreien Spurts verweisen im urbanen Umfeld jeden Verbrenner ganz klar auf die Plätze. Eine nervige Start-Stopp-Automatik entfällt natürlich obendrein. Das finde ich insgesamt einfach nur topp, Daumen daher hoch!
Bei Überlandfahrten sehen die Anforderungen an unsere vierrädrigen Freunde natürlich ein bisschen anders aus. Während der Münchner Hausmann zweimal die Woche zum Einkaufen fährt und werktags ein paar Kilometer ins Büro, gibt es auch Leute wie mich, deren Fahrprofil überwiegend in Richtung Landstraßen und Autobahnen geht. Also raus aus Pfaffenhofen und auf die Bundesstraße. Am Ortsausgang das Gaspedal voll durchgedrückt, legt sich der ID.3 ganz gut ins Zeug, die digitale Geschwindigkeitsanzeige meldet in wenigen Sekunden Vollzug in Sachen 100 km/h. Das passiert recht mühelos, wenn auch nicht wirklich spektakulär. Die guten 1800 kg Fahrzeuggewicht merkt man schon, da relativieren sich auch die 204 Pferdchen wieder entsprechend.
IMG_4411_1600_autoscaled.jpgVon 0 auf 100 km/h schafft es der ID.3 in 7,33 Sekunden im Fahrprogramm "Sport". Das deckt sich mit der Werksangabe (7,3 S.), zumal die Fahrbahn nass war und auch leichter Gegenwind herrschte.
Den Sprint vom Stand weg auf 100 km/h (und auch darüber...) empfindet man allerdings etwas anders als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Einerseits fasziniert, dass es einen beim Tritt aufs Gaspedal völlig verzögerungsfrei in den Sitz drückt. Zum anderen aber hat das Ganze einen fast schon etwas langweiligen Charakter, wenn mal so um die 80 km/h erreicht sind. Das liegt - nach einigen "Selbstversuchen" betrachtet - wohl schlichtweg daran, dass die Beschleunigung eine völlig gleichmäßige ist, wie vom Gummiband gezogen. Dazu flacht diese Kurve natürlich immer mehr ab, je mehr Fahrwiderstand in Form von Wind sich dem Fahrzeug entgegen stellt. Das gewohnte Motorengeräusch ist nicht vorhanden, auch daran muss man sich erst mal gewöhnen. In der Praxis führte das bei mir zuerst mal dazu, dass ich schneller als eigentlich gedacht unterwegs war, ganz einfach weil man kein akustisches Feedback über die Motordrehzahl bekommt.
Apropos akustisches Feedback: Sowohl der Vorgänger e-Golf als auch die meisten anderen Elektroautos produzieren irgendein Antriebsgeräusch. Entweder eine Art leises Sirren, Pfeifen oder Jaulen, welches von der Ansteuerung der E-Maschine herrührt, oder bei bestimmten Last- und Geschwindigkeitssituationen wahrnehmbare Geräusche vom Getriebe. Beides fehlt beim ID. 3 völlig, der ist tatsächlich mucksmäuschenstill, das haben die Wolfsburger in dieser Hinsicht perfekt hingekriegt.
Insgesamt ist der ID.3 ein leises Auto, was auch für die Abroll- und Windgeräusche gilt. Erfreulich aufgefallen ist mir, dass nichts geknistert oder geklappert hat, auch nicht auf schlechtem Straßenbelag. Zudem würde ich das Fahrwerk als polterfrei bezeichnen, was angesichts der 20"er mit recht geringem Reifenquerschnitt und dazu noch rollwiderstandsoptimierten Reifen mit eher harten Reifenflanken fast etwas erstaunt.
Beim Fahrkomfort muss man hingegen etwas differenzieren. Das Fahrwerk erscheint einerseits relativ straff abgestimmt, Bodenunebenheiten und die typischen "Wellen" im Straßenbelag vor manchen Ampeln, welche schwere LKWs "hineingebremst" haben, kommen schon spürbar durch. Auf normalen Kreis- und Bundesstraßen in vorzeigbarem Zustand gibt es aber nichts zu mäkeln, der ID.3 fährt sich hier recht komfortabel und damit auch auf längeren Strecken angenehm. Etwas auffällig ist allerdings eine gewisse Neigung zu Nickschwingungen im nicht beladenem Zustand, was angesichts des relativ langen Radstands und auch im Vergleich zum Golf VII leicht verwundert. Nicht inakzeptabel störend, aber eben doch spürbar präsent ab und an.
Fahrdynamik - Bremse: In der Einleitung schon angesprochen, macht mich das derzeitige Betätigungsgefühl der Bremse nicht recht glücklich. Ich werde dies noch bei VW anfragen, weshalb man das so ausgelegt hat und ob das Absicht war, oder es scheinbar nicht anders ging. Der Leerweg ist mir einfach viel zu groß, bis ich in den Bereich einer signifikanten Bremsleistung komme. Ich habe das auch ein paar Mal simuliert in Bezug auf eine Gefahrenbremsung, ob dann eventuell schneller eingegriffen wird durch eine elektronische Bremskraftunterstützung, aber auch in dieser Situation tritt man erst mal wie eine zusammengerollte Wolldecke, bis sich eine entsprechende Bremsverzögerung einstellt. Ich denke, hier verschenkt man in einer Notsituation einige wertvolle Meter gegenüber einer Bremsanlage mit kurzem Pedalweg und gutem Druckpunkt. Vielleicht will VW ja hier auch noch mal ran, eventuell lässt sich dies noch im Zuge eines Updates verbessern.
Fahrdynamik - Fahrwerk: Der ID.3 fährt sich letztlich ähnlich wie ein Standard-Golf. Unauffällig, in weiten Grenzen neutral ausgelegt, nicht sonderlich sportlich sondern eben möglichst universell ausgelegt. Damit kommt bestimmt jeder zurecht, der kein sportliches Fahrgefühl will oder braucht, sondern ein Auto für jeden Tag und jede Alltagsituation bei normaler Gangart. In diesem Sinn kann man letztlich auch nur sagen "passt, Hausaufgaben erledigt, wird für den Großteil der Zielkundschaft passen".
Wirklich sportlich ist er aber nicht, zu schaukelig das Fahrwerk bei forcierter Gangart, die Lenkung recht gefühllos um die Mittellage und relativ indirekt ausgelegt. Da fehlt noch ein adaptives Fahrwerk gegen Aufpreis und eine direktere, progressivere Lenkübersetzung. Allrad samt 75 kW (102 PS) mehr wird es immerhin demnächst geben, vielleicht rüstet man da ja auch noch am Fahrwerk etwas nach beim Spitzenmodell.
Fahrdynamik - Antrieb: Wie einst VW Käfer und Bulli (bis zum T3) treibt der ID.3 die Hinterräder an und hat den Motor ebenfalls an der Hinterachse sitzen. Ich selber bin ja kein Fan von Fronttrieblern, besonders nicht von jenen, die ein paar PS mehr unter der Haube haben, da man dann ständig mit Traktionsproblemen beim stärkeren Beschleunigen kämpft und die Fuhre bei ungleichmäßigen Reibwerten links/rechts (Fahrbahnen mit Flickwerk oder Unebenheiten...) entsprechend wild am Lenkrad zerrt. Obendrein zieht es einen beim Gas geben eben aus der Kurve und nicht in selbige hinein. Aber: Wohl der Großteil der Autofahrer*innen empfindet einen Fronttriebler eben als unproblematischer im Fahrverhalten und - solange es nicht steil bergauf geht und man im Fond Leute sitzen hat samt Gepäck im Laderaum - hat er auch seine Vorteile auf schneebedeckter Fahrbahn. Die typische Kombi "Motor vorne - Antrieb vorne" bringt eben mehr Gewicht auf die Antriebsachse als der klassische Heckantrieb mit Frontmotor.
Der ID.3 punktet an sich mit sehr guter Traktion, selbst bei voller Beschleunigung aus dem Stand auf nasser Fahrbahn blinkt nur ganz kurz die Traktionskontrolle auf, wobei das Fahrzeug hierbei immer spurstabil bleibt. Damit dürften dann auch im Winterbetrieb eher wenige Problem zu erwarten sein.
Jetzt kommen wir aber zu einem Punkt, wo ich ehrlich gesagt die Antriebsauslegung, bzw. die elektrische Ansteuerung für speziell diese Fahrzeugzielgruppe, nämlich eher den vernünftigen "Otto-Normalfahrer" nicht komplett nachvollziehen kann. Vorab: Ja, ich bin im Fahrmodus "Sport" gefahren und ja, ich habe das alles bewusst bis an die Grenzen geführt und in "Eco" passiert das auch nicht. Für ein sportlicheres Fahrzeug wäre das auch toll und sogar erwünscht, für einen Umsteiger von Golf und Co. bin ich leicht skeptisch, ob das alles so gut geht...
Also: 204 PS / 310 Nm, ohne die beim Verbrenner zwangsläufig auftretende Drehmomentverzögerung, sind eine Menge Holz für zwei, dazu relativ schmale Räder samt einer nassen Fahrbahn. Das geht auch alles so lange gut, wie man eben vernünftig mit dem Gaspedal umgeht. Es ist aber auch relativ problemlos möglich, beim ID.3 in ganz normalen, nicht forcierten Kurvenfahrten und Geschwindigkeiten bis etwa 50 km/h ein Ausbrechen des Hecks zu provozieren. Die Stabilitätskontrolle fängt ihn dabei meist schon im Ansatz durch eine sofortige Drehmomentreduzierung wieder ein. Fahre ich aber etwas flotter in einen Kreisverkehr oder biege um 90 Grad ab und trete dabei kräftig aufs Gas, dann ist der Drehimpuls um die Hochachse manchmal bereits so fortgeschritten, dass ihn das ESP eben manchmal auch nicht mehr mit Bremseingriffen einfängt, sondern das Heck komplett herum kommt, lenkt man nicht blitzartig kräftig gegen.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dieses Verhalten den ein oder anderen, vom Fronttriebler kommenden Fahrer, in bestimmten Situationen überfordern wird. Beispielsweise dann - bleiben wir beim Kreisverkehr - wenn es nass oder anderweitig rutschig ist, man aus Schreck voll aufs Gas tritt weil man ein herannahendes Fahrzeug übersehen hat und dann das plötzlich einsetzende Drehmoment an der Hinterachse das Heck schlagartig nach außen drängt. Ein dahingehend ungeübter Fahrer dürfte da dann quer stehen. Mich wundert das etwas, weil Volkswagen ja sonst eher sehr konservativ mit dieser Thematik umgeht und - auch selbst beim Allradler Touareg - bei entsprechenden Querbeschleunigungen im niedrigeren Geschwindigkeitsbereich nur einen verzögerten Drehmomentaufbau zulässt. Da bin ich gespannt, wie sich das in der Praxis so bewährt in der breiten Masse... (Workaround: Fahrmodus auf "Eco" bei rutschiger Fahrbahn, da passiert dies durch eine deutlich langsamere Leistungsentfaltung dann definitiv nicht).
Das Bedienkonzept ist, hatte ich schon angeschnitten, gewöhnungsbedürftig. Da liegt aber dann auch der Tenor drauf, im Sinne von "man gewöhnt sich an (fast) alles". Der Trend geht natürlich in Richtung Touch-Displays, womit die jetzige und kommende Generation kaum Probleme haben wird, im Grunde nähert man sich ja auch im Kfz-Bereich immer mehr einer bereits vom Smartphone gewohnten Bedienstruktur an. Ernsthafte Zweifel kommen mir allerdings dann, wenn ältere Leute damit zurechtkommen sollen, die tun sich ja teils auch mit der Thematik Smartphone schwer, auch wenn sie zuhause alle Zeit der Welt haben und nicht noch "nebenher" Auto fahren. Aber die werden ja auch mal elektrisch fahren wollen und dann eher Wert auf eine möglichst einfach strukturierte Bedienung legen.
IMG_4418_1600.jpgDas "Discover Pro" des ID.3: Radio, Navigationssystem, Telefon-Schnittstelle, Bedien- und Anzeigeeinheit für Systeme und Systemeinstellungen, Einparkassistenz und Rückfahrkamera.
Der Bildschirm des "Discover Pro" misst 25,4 cm (10") Diagonale, was jetzt nicht gerade als opulent zu bezeichnen ist, aber für eine vernünftig große Darstellung - auch der Navigationsansicht - noch gerade so ausreicht. Die "Aufpflanzung" aufs Armaturenbrett wirkt nicht sonderlich organisch integriert, durch die hohe Anordnung lenkt es allerdings weniger vom Blick auf die Straße ab. Viele andere Hersteller haben das auch nicht schöner gelöst.
Innenraumtemperatur(en) und Audio-Lautstärke werden mit berührungsempfindlichen "Slidern" am unteren Rahmen des Displays gesteuert.
Der Innenraum birgt keine großartigen Überraschungen, in Sachen Haptik und Materialauswahl ist, bis hin zum Kofferraum, alles mehr oder minder irgendwie wie von VW gewohnt. Den guten Eindruck trüben etwas die billig wirkenden schwarzen Hartplastikeinsätze in den Türen, zumal man diese eben auch zwangsläufig anfasst und sie sich leider auch genauso anfühlen wie sie aussehen.
IMG_4426_1600.jpg IMG_4427_1600.jpg
Vorne gibt's eine hübsche Ambientebeleuchtung, im Fond hingegen sieht es etwas unspektakulärer aus. Die Armlehnen zwischen den vorderen Sitzen scheinen allerdings einem (preiswerten) Bürostuhl entliehen, auch die Verarbeitung von Bezug und Nähten passt nicht recht in diese Preisklasse (siehe Vorderseite Fahrerseite).
IMG_4398_autoscaled.jpg IMG_4399_1600.jpg
Gut gestalteter, großer Laderaum. Unterm (etwas hakeligen) Ladeboden der gewohnte Verhau aus Ladekabeln und Co. Passende Mulden bzw. Einsätze wären hier schön um besser Ordnung zu halten. Nettes Gimmick: Ausstiegsbeleuchtung mit messerscharfer Logo-Projektion. Was dieses Logo allerdings bedeuten soll, das bleibt mir ein Rätsel.
Karosserie und Übersichtlichkeit: Der ID.3 wirkt live durchaus gefällig auf mich. Modern und insgesamt wirklich ein schickes Auto mit einem sehr großzügigen Platzangebot im Innenraum. Mit meinen 183 cm Höhe/Länge habe ich sowohl als Fahrer als auch als Fondpassagier genug Platz und Kopffreiheit, die Sitzposition ist sowohl vorne als auch hinten gut. Schön ist die ausziehbare Oberschenkelauflage der schön straff gepolsterten Vordersitze.
Die Rundumsicht aus dem Fahrzeug ist - wie heute leider fast allgemein üblich - so in Richtung "geht so" einzuordnen. Seitlich gut, nach hinten nicht besonders (ok, dafür haben wir Rückfahrkamera und Parkassistenz), direkt nach vorne ist nichts von der "Motorhaube" zu sehen, damit bleibt das vordere Ende des Autos erst mal verborgen. Etwas störend empfand ich allerdings die sehr flach nach vorne gezogenen A-Säulen samt den Fensterführungen und Dreiecksfenstern mit ihrem recht breiten schwarzen Rand. Irgendwas ist da eigentlich immer im Blickfeld, wenn man an eine Kreuzung oder einen Kreisverkehr heranfährt und da schaut man besser zwei bis drei mal zur Sicherheit, um nur ja nichts zu übersehen.
In Sachen Fahrassistenzsysteme möchte ich mich aus besagten Gründen (aktuell unfertiger Serienstand) gerne etwas zurückhalten mit einer Beurteilung. Es wäre schichtweg unfair, die Systeme vor den noch ausstehenden Funktionsergänzungen zu bewerten. Testen konnte ich den Spurhalteassistenten, die Rückfahrkamera, das neue kapazitive Lenkrad und die prädiktive Rekuperation.
Der Lane Assist funktioniert klar besser als beim Touareg CR, sowohl die Fahrspurerkennung ist im Vergleich überlegen, als auch die Spurhaltung als solches. Der ID.3 pendelt nicht ständig zwischen hin- und her, sondern hält gut die Spur und meckert nicht ständig wie der Touareg "Bitte Lenkung übernehmen", weil ihm ausreicht, wenn eine Hand am Lenkrad ist und dies sicher detektieren kann.
Die Rückfahrkamera liefert ein gutes und scharfes Bild, wobei ich ihre Eigenschaften nachts nicht testen konnte. Im Gegensatz zum Touareg sitzt sie im VW-Logo, ist also vor Verschmutzung geschützt.
Beeindruckt hat mich die Rekuperations-Strategie (also das elektrische Nutzbremsen). Geht man vom Gaspedal, so verzögert der ID.3 nicht einfach "blind", sondern rollt zunächst - situationsabhängig - im Freilauf. Geht es dann beispielsweise auf eine Ortschaft zu oder einen Kreisverkehr, so bremst der ID.3 automatisch elektrisch ab, bis die passende Geschwindigkeit erreicht ist. Ebenso verhält sich das, wenn ein Fahrzeug vor einem auftaucht, auch hier gleicht der ID.3 seine Geschwindigkeit komfortabel passend an. Das ist wirklich spitzenmäßig gelöst. Das Rekuperationsverhalten kann man als Fahrer auch noch über die Fahrstufen "D" und "B" beeinflussen. Soweit ich das beobachten konnte (bitte nicht exakt festnageln hier), rekuperiert der ID.3 ohne Fahrereingriff (Bremsbetätigung) mit bis zu gut 30 kW/h, bremst man, so schafft er rund 100 kW/h, was dann auch sehr ordentlich in Verzögerung umgesetzt wird. Verlustbehaftetes "normales" Bremsen wird damit nur ganz selten notwendig.
IMG_4442_1600_N.jpg IMG_4387_1600.jpg
Der ID.3 in weiß und mit 19"-Rädern (Felge "Andoya"), Detailaufnahme zu den Lichtschaltern, Laden an einer normalen 230-V-Steckdose mit etwas über 2 kW/h.
Mein persönliches Fazit zum ID.3, ausdrücklich ohne Wertung der Elektromobilität an sich, Stichwort reiner Fahrbericht: Der ID.3 ist in meinen Augen gelungen und hat auf meinen Testfahrten (die freilich nicht mehr als eine "Tankfüllung" beanspruchten...) keinerlei erkennbare Kinderkrankheiten an den Tag gelegt. Im Grunde hat alles so funktioniert, wie man es eben von einem ausgereiften Serienfahrzeug erwarten kann. Perfekt sind der praktisch lautlos agierende Antrieb und die gute Alltagstauglichkeit. Mit den gebotenen Fahrleistungen dürfte ein Großteil der potentiellen Kunden absolut zufrieden sein. Wer mehr will, der wartet eben noch auf das kommende Topmodell mit dann 225 kW (306 PS) und Allradantrieb, wobei hier dann 204 PS an die Hinterachse gehen und - mittels zweitem E-Motor - 102 PS an die Vorderräder. Das dürfte dann auch ein, im Grenzbereich und bei sportlicher Gangart weniger übersteuerndes Fahrverhalten zur Folge haben, zudem mehr Freude bei schneebedeckter Fahrbahn machen.
Bremsgefühl und Bremsperformance haben mir jetzt weniger zugesagt, wobei hier wohl auch die Art der Bremsung eine Rolle spielen wird, aber vielleicht lässt sich da ja noch Feinabstimmung betreiben, so dass das Pedalgefühl nicht gar so synthetisch wirkt. Ähnliches wünsche ich mir für die Lenkung, die mir persönlich einfach zu wenig Rückmeldung gibt. Ein bisschen schade finde ich, dass man - wieder mal - an ein paar Bauteilen (Armlehnen, Türeinsätze, Display "Discover Pro"...) gnadenlos den Rotstift angesetzt hat, obwohl es dabei teils wirklich nur um ein paar Cent geht. Dass man die gesamte, eigentlich sehr gute Qualitätsanmutung damit aber schlichtweg unübersehbar trübt, das ist wohl noch nicht bis in die passende Etage in Wolfsburg vorgedrungen. Würde das Fahrzeug meinetwegen 20 Euro mehr kosten, brächte das keinen um, betrachtet man den Anschaffungspreis insgesamt. Leider kennen wir das aber ja schon vom Touareg, dass scheinbar an den unmöglichsten Stellen dann um ein paar Cent gefeilscht wird. Stichwort Lichtleiter mit Rissen im Becherhalter seit Produktionsstart bis heute, oder aber ein plötzlich nicht mehr beheiztes Frontradar, welches dann beim ersten Schneefall auch gerne mal spontan ausfällt.
Das Gesamtpaket stimmt aber, der ID.3 hat bei mir einen rundum soliden Eindruck hinterlassen, wozu auch das polterfreie Fahrwerk und die solide wirkende Karosseriestruktur - ohne jedes Knistern, Knarzen oder Klappern - beitragen. Echte Gegenargumente gegen den ID.3 kann man schwerlich finden, das Fahrzeug dürfte sicher ein Erfolg werden.
So, fertig. Ich hoffe, ihr hattet etwas Spaß beim Lesen!
Grüße
Robert