Hasselfelde/MZ. Wer in der Nähe der Westernstadt Pullman City in Hasselfelde lebt, ist lautes Treiben gewöhnt. Doch Szenen wie in Miami Vice mit Hubschrauber-Tiefflug und einem Großaufgebot an Polizei hat auch Irene Weidling noch nicht gesehen. Vor allem nicht morgens um halb vier. Als die 69-Jährige am Freitag von einem Heidenlärm geweckt wurde, traute sie ihren Augen nicht: Polizisten mit gezogenen Pistolen hatten auf einem Spielplatz in der Bruchstraße einen VW Touareg umstellt. Doch die Insassen waren bereits auf und davon.
Deren Flucht hatte zwei Stunden zuvor in Halberstadt begonnen. "Seit Wochen haben wir dort observiert", sagte der Chefermittler der Halberstädter Polizeidirektion, Wolfgang Gebauer. Die Beamten waren auf der Suche nach einer Einbrecherbande, die seit Dezember vergangenen Jahres regelmäßig Supermärkte heimsuchte und dort vor allem hochwertige Elektronikgeräte stahl.
Für die Polizei zunächst ein Problem ohne Lösung - die Täter agierten regional sehr begrenzt und blitzschnell. "Nach der Tat sind sie wie vom Erdboden verschluckt", sagte Einsatzleiter Guido Sünnemann. Doch bald wurde klar, dass es wohl Leute mit Ortskenntnis sein mussten. Zudem wurde an den Tatorten immer wieder ein "hochbeiniger, dunkler Geländewagen" gesehen, so Sünnemann. Bei den Fahndern machte es klick: Anfang Dezember, als der Beutezug begann, war in einem Autohaus in Aschersleben ein VW Touareg verschwunden. Den Schlüssel für das 82 000-Euro-Modell hatten sich die Diebe bei einem Einbruch zuvor besorgt. Die seltene Luxuskarosse war jedoch nicht nur Zeugen aufgefallen: Nach MZ-Informationen soll die Polizei auch das Satellitennavigationssystem GPS benutzt haben, um den Wagen zu orten.
Der Touareg wird in Ermittlerkreisen als Waffe gehandelt - über 300 PS leistet der Motor. "Ich habe daher vor dem Einsatz gestern Nacht angewiesen, das Fahrzeug nicht zu blocken", sagte Sünnemann. Vergebens: Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) umstellten den schwarzen Wagen. Als einer versuchte, den Beifahrer hinaus zu zerren, gab der Fahrer Gas. Ein "junger Beamter", mehr gibt die Polizei nicht preis - wurde frontal erfasst und über die Kühlerhaube geschleudert. Er erlitt schwere Verletzungen. Die Täter jagten davon. Die Polizei ist sicher, ihre Identität zu kennen. Erst eine Nagelsperre auf der B 81 in Hasselfelde unterbricht die Flucht: Mit platten Reifen versuchten die Räuber, im Gelände zu entkommen - an einer Hecke blieb der Wagen stecken.
Ein Fährtenhund konnte zwar fünf Kilometer weit einer Spur folgen, doch die endete abrupt an einer Straße. Mit einem Großaufgebot von Beamten, die mit schusssicheren Westen bekleideten waren, wurde im gesamten Nordharz gefahndet. Auch in Quedlinburg bestimmten schwer bewaffnete Polizisten das Bild. Von den "mindestens vier Tätern", die die Ermittler vermuten, konnten bis zum Abend zwei festgenommen werden.
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