Luftqualität, Luftfeuchte etc. im Fahrzeug. Eine kleine Messreihe zur Information.

  • Servus zusammen,

    ich hatte kürzlich eine Diskussion mit einem Bekannten in der es darum ging, ob die Luftqualität nun in einem PKW oder in den eigenen vier Wänden besser sei. Er war der Meinung, dass die Luftqualität im Auto sehr schlecht sein müsse, weil er "immer müde werde" beim Fahren. Ich hielt dagegen, dass die Lüftungsanlage in einem KFZ eine wesentlich größere Luftwechselrate leisten würde als die klassische Kipplüftung zuhause oder eine kontrollierte Wohnraumlüftung mittels einer zentralen Lüftungsanlage, ergo die Luft im Auto relativ gut sein dürfte.

    Recht bequem feststellen lässt sich das durch die Messung des CO²-Gehaltes in der Luft (das ist das Zeug, was der Mensch massenhaft ausatmet. Bei normaler Tätigkeit etwa 20 Liter pro Stunde CO²) ;) und für dessen Gehalt in der Raumluft es einschlägige Richtwerte für die maximal empfohlenen Konzentrationen gibt. Nach VDI 6022-3 "Beurteilung der Raumluftqualität" gelten Raumluftkonzentrationen von < 1000 ppm als "hygienisch unbedenklich". Andere Richtlinien empfehlen auch geringere Werte und sprechen schon ab 500 ppm CO² von nur noch "guter" an Stelle "optimaler" Werte.

    Ferner meinte er, es würden ständig geringe Mengen an Abgas durch niemals ganz dichte Fugen im Heckbereich des Fahrzeuges eindringen. Dies lässt sich durch die Messung des hoch giftigen CO (Kohlenmonoxid) ebenfalls recht einfach prüfen.

    Hierzu zur Vorab-Info: Die Außenluft enthält im Regelfall etwa 400 ppm CO², wobei diese Werte - je nach Wetterlage und Örtlichkeit (ländliches Gebiet oder Großstadt) immer etwas schwanken. Vor der Messfahrt mit dem Touareg habe ich als Vergleichswert draußen "auf freiem Feld" exakt 378 ppm gemessen, die CO²-Konzentration in der Garage (und im Fahrzeug) zu Beginn der Fahrt betrug 418 ppm. Kohlenmonoxid (CO) hat man im Regelfall auf dem "Land" 0 ppm - so auch heute bei mir - und auch in geschlossenen Räumen ist selten ein Wert größer 5 ppm zu messen, der dann meist von Atemluft und großzügig im Raum verteilten brennenden Kerzen rührt.

    Ich habe also ein CO²-Messgerät mit Datenlogger und integrierten zusätzlichen Sensoren für Temperatur und relative Luftfeuchte auf eine thermisch isolierte Trägerplatte aufgebracht und mit einer mobilen Stromversorgung auf dem Beifahrersitz so fixiert, dass die Sensorik weder direkt angeatmet wird, noch im direkten Luftstrom eines Ausströmers liegt und eine Testfahrt unternommen. Diese als reine Überlandfahrt im ländlichen Bereich ohne Ampeln usw. um Verfälschungen durch Stopps und Emissionen anderer Fahrzeuge zu vermeiden.

    Ebenso habe ich den CO-Gehalt zu Beginn der Fahrt, mehrfach während der Fahrt und zum Schluss gemessen.

    Die Umgebungsbedingungen: Außentemperatur 13,5 - 14°C, relative Luftfeuchte 94%, stark bewölkter Himmel, leichter Regen.

    Hier das Messdiagramm samt Erklärung:

    17:37 Uhr: Beginn der Datenaufzeichnung/Fahrbeginn mit Datenerfassung alle 15 Sekunden. Climatronic auf "Auto", 23°C, AC off.
    - nach kurzem anfänglichen Anstieg bis 700 ppm pendelt sich der CO²-Gehalt um etwa 500 ppm ein. Die Temperatur steigt mit einsetzen der Heizung an, die relative Luftfeuchte fällt dazu proportional ab.

    18:10 Uhr: Umluftfunktion eingeschaltet (AC immer noch aus).
    - innerhalb 20 Minuten steigt die CO²-Konzentration auf fast 1700 ppm an, wogegen die Auswirkungen auf die Luftfeuchte im Fahrgastraum eher gering sind. Dennoch beschlägt bei dieser Witterung die Frontscheibe anfänglich leicht.

    18:30 Uhr: Umluftfunktion ausgeschaltet und dazu AC eingeschaltet.
    - Die CO²-Konzentration fällt sofort rapide und pendelt sich binnen weniger Minuten wieder bei etwa 500 ppm ein. Gut zu sehen ist anhand der grünen Linie für die Luftfeuchte die starke Entfeuchtungswirkung der Klimaanlage, welche die Luftfeuchte von etwa 57% ohne AC auf Werte von nur noch 34% drückt. Dies ist bekanntermaßen auch der Grund, weshalb die Scheiben bei eingeschalteter Klimaanlage nicht oder erheblich weniger beschlagen als ohne AC.

    18:40 Uhr: Lüftung von vorher im Automatikbetrieb Stufe 1 - 2 manuell auf Stufe 6 gestellt.
    - Besonders viel lässt sich damit nicht erreichen, lediglich eine Reduktion von gemittelt etwa 20 ppm CO² ist damit verbunden. Das macht also - alleine im Fahrzeug sitzend - wenig Sinn, eher unnötig Lärm...

    18:45 Uhr: Gebläseregelung wieder zurück auf "Auto" (Stufe 1) und AC ausgeschaltet. Die Luftfeuchte steigt rasch wieder an und würde sich im Laufe der Zeit wieder im Bereich der 57% einpendeln zzgl. einem gewissen Zuschlag bis der Verdampfer wieder trocken geblasen ist
    18:54 Uhr: Ende der Fahrt und Stopp der Messung. Eine Kiste Bier ist mir nun sicher! :D :trinken:


    2013-06-29_221114.jpg


    CO-Messgerät (links) und CO²-Datenlogger zu Beginn der Fahrt

    co2_start.jpg


    Selbiges bei Fahrtende. CO ist weder während der Fahrt - auch nicht bei Umluft (Überdruck im Fahrgastraum fällt dann weg) - noch am Ende, nach einer kurzen Rückwärtsfahrt feststellbar.

    co2_ende.jpg


    Im Anschluss noch ein kurzer Vergleich mit einem Referenzgerät auf Plausibilität der Messwerte. Passt...

    co2_vergleich.jpg


    Ich hoffe, für den ein oder anderen ist das vielleicht auch ganz interessant. Aus einschlägigen Messungen in Einfamilienhäusern und Büros kann ich sagen, dass wir im Touareg (und vermutlich auch in anderen Autos...) im Regelfall deutlich unverbrauchtere Luft atmen als am Arbeitsplatz oder zuhause. Lediglich im Sommer, bei länger ganz geöffneten Fenstern kommt man da in ähnlich gute Bereiche. Die 690 ppm im letzten Bild sind schon sehr gute Werte - erreicht auch nur, weil den ganzen Tag keiner in diesem Raum war. Normalerweise liegt man (leider) weit darüber.

    Grüße
    Robert

    5 Mal editiert, zuletzt von coala (29. Juni 2013 um 22:18) aus folgendem Grund: Schlecht komprimiertes Bild ausgetauscht

  • Danke schön Robert:guru: Wir haben in unserm neuen Eigenheim eine Be- und Entlüftungsanlage installiert, mich würden die Werte hier neugierig machen. Bist du nicht zufällig mal in der Nähe von Stuttgart:) Natürlich verbunden mit einer Einladung zum Essen.

  • sehr interessante Messreihe. Kann man denn davon ausgehen, dass durch den so nachgewiesenen Austausch der Luft im Auto auch andere Schadstoffe keinen Einfluss mehr auf die eigene Gesundheit haben? Im Auto sind ja zig Materialien verbaut und deren Ausdünstungen können ja vielleicht auch Müdigkeit hervorrufen oder sonstwie zu Unwohlsein führen? Bei einem verschmutzen Filter könnten ja auch irgendwelche Keime durch die Lüftung ins Auto geblasen werden.

    Gruss

    frank

  • [...] Kann man denn davon ausgehen, dass durch den so nachgewiesenen Austausch der Luft im Auto auch andere Schadstoffe keinen Einfluss mehr auf die eigene Gesundheit haben? [...]

    Servus Frank,

    eine Gewähr für sozusagen "garantiert schadstofffreie Luft" wird es wohl nirgends geben - auch nicht im Freien. Es ist ja immer die Frage wie belastet die Luft ist. Steht das Fahrzeug längere Zeit in der prallen Sommersonne ist davon auszugehen, dass in solchen Phasen verstärkt Materialien ausdünsten und die Luft im Fahrgastraum entsprechend belasten. Fraglich ist nur, wie "böse" die verwendeten Materialien in dieser Hinsicht sind. Ich denke, es hat sich da in den vergangenen Jahren - dies auch selber "riechbar" - schon viel Positives getan in dieser Hinsicht.

    Nun bietet diese Thematik ja auch im Bausektor nicht enden wollenden Diskussionsstoff, was nun realistisch betrachtet als bedenklich anzusehen ist und was nicht. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass durch die hohe Luftwechselrate im Fahrzeug eine erheblich stärkere Verdünnung eventueller materialbedingter Schadstoffkonzentrationen stattfindet als in Wohn- und Arbeitsräumen. Luftfilter selbst sind relativ unbedenklich was Bakterien- und Schimmelwachstum angeht, denn die in der Regel trockenen Filter bieten schlechte Voraussetzungen dafür. Anders sieht das in schlecht gewarteten, zentralen Gebäudeklimaanlagen aus, denn hier wird im Regelfall auch befeuchtet und es gibt zig für die Reinigung unerreichbare Ecken und Winkel in den teilweise sehr umfangreichen und langen Lüftungskanälen.

    Grüße
    Robert

  • Danke schön Robert:guru: Wir haben in unserm neuen Eigenheim eine Be- und Entlüftungsanlage installiert, mich würden die Werte hier neugierig machen. Bist du nicht zufällig mal in der Nähe von Stuttgart:) Natürlich verbunden mit einer Einladung zum Essen.

    Servus,

    mein Güte, habe ich ganz übersehen - sorry :hopelessness: Hab dir grad eine PN geschickt ;)

    Grüße
    Robert

  • [...] Kann man denn davon ausgehen, dass durch den so nachgewiesenen Austausch der Luft im Auto auch andere Schadstoffe keinen Einfluss mehr auf die eigene Gesundheit haben? Im Auto sind ja zig Materialien verbaut und deren Ausdünstungen können ja vielleicht auch Müdigkeit hervorrufen oder sonstwie zu Unwohlsein führen? Bei einem verschmutzen Filter könnten ja auch irgendwelche Keime durch die Lüftung ins Auto geblasen werden. [...]

    Servus Frank,

    so, jetzt kann ich - zumindest teilweise - etwas dazu nachreichen. Ein recht gern vorkommender Schadstoff ist das Formaldehyd, dies allerdings neben zig anderen VOCs, die man - isoliert - nur mit sehr erheblichem Aufwand im Labor nachweisen kann. Im Allgemeinen werden deshalb zur Regelung und Steuerung von Lüftungsanlagen und Luftreiniger sogenannte Mischgassensoren eingesetzt, welche auf den "Cocktail" im Allgemeinen reagieren, respektive auf einige gut messbare Gase. Leider ist das aber schwierig bis gar nicht zu quantifizieren, weil solche Regler sozusagen ab Werk justiert sind und daher nur der Hersteller die Schwellwerte, bzw. die interne Skalierung kennt.

    Ich habe deshalb mal eine Gegenüberstellung gemacht von der Luft im Fahrzeuginneren (bei der Fahrt) zur Außenluft im selben Gebiet. Dies in Bezug auf den Gehalt an Formaldehyd (der ist im Freien nämlich sehr gering auf freiem Feld) und dazu noch mit einem 6-Kanal-Laser-Partikelzähler die Anzahl an lungengängigen Partikeln (Feinstäuben) gemessen.

    Hier die Ergebnisse:

    HCHO (Formaldehyd), empfohlener Grenzwert für Wohngebäude liegt bei 0,1 ppm, der MAK-Wert für den Arbeitsplatz (8 h) bei 0,5 ppm

    Referenzwert Aussenluft: 0,010 ppm
    Touareg: 0,016 ppm (Klima auf Automatik, Lüftungsprofil auf "mittel" eingestellt)
    Praxis für Physiotherapie: 0,023 ppm (gut gelüftet)
    (Eigenes) Wohnzimmer: 0,045 ppm (mäßig gelüftet)
    (Eigenes) Büro: 0,051 ppm (mäßig gelüftet)
    Seit Stunden nicht benutzter, aber auch nicht gelüfteter Konferenzraum: 0,042 ppm

    Eindeutig erkennbar, dass das Auto - zumindest während der Fahrt - besser als Wohn- und Geschäftsräume abschneidet. Interessant wäre es allerdings, wie es im Moment des Einsteigens aussieht, wenn das Fahrzeug im Sommer einige Zeit in der prallen Sonne gestanden ist. Das kann ich aktuell, mangels Sommer, grad nicht checken. Dennoch wäre diese Belastung dann nur sehr kurzfristig, da die hohe Luftwechselrate im Fahrzeug sofort für eine entsprechende Verdünnung sorgen würde.

    Nun zu den Partikeln. Umgebungsbedingungen (wie auch oben) waren: Überlandfahrt im ländlichen Raum ohne große Verkehrsdichte. Klares, sonniges Wetter, rund 12°C und etwa 55% r.F, Alter des Pollenfilters rund 22 Monate.

    [TABLE='class: grid, width: 500']

    [tr][td]

    Partikelgröße

    [/td][td]

    Touareg II Fahrantritt

    [/td][td]

    Touareg II während der
    Fahrt (siehe auch Foto)

    [/td][td]

    Referenzwert Aussenluft

    [/td][/tr][tr][td]

    0,3 µm

    [/td][td]

    22081

    [/td][td]

    16363

    [/td][td]

    24499

    [/td][/tr][tr][td]

    0,5 µm

    [/td][td]

    3445

    [/td][td]

    2007

    [/td][td]

    3120

    [/td][/tr][tr][td]

    1,0 µm

    [/td][td]

    593

    [/td][td]

    284

    [/td][td]

    434

    [/td][/tr][tr][td]

    2,5 µm

    [/td][td]

    61

    [/td][td]

    24

    [/td][td]

    45

    [/td][/tr][tr][td]

    5,0 µm

    [/td][td]

    23

    [/td][td]

    6

    [/td][td]

    21

    [/td][/tr][tr][td]

    10 µm

    [/td][td]

    23

    [/td][td]

    5

    [/td][td]

    15

    [/td][/tr]


    [/TABLE]


    Partikelmessung_7P.jpg

    Die Partikelanzahl bezieht sich auf ein Luftvolumen von 1 Liter. Gemessen wurde kumuliert. Das heisst, ganz oben im Display (0,3 µm) wird die Summe aller Partikel zusammen angezeigt, was die Einschätzung der Luftbelastung auf einen Blick ermöglicht. Die einzelnen Zeilen darunter zeigen immer alle Partikel an, die gleich oder größer der jeweiligen Partikelgröße sind. (Z.B. sind im Feld "5 µm" auch die Partikel von größer 5 bis 10 µm mitgezählt.) Um die Partikelanzahl auf 1 m³ Luft umzurechnen, wäre der Multiplikator 1000. Wer das nicht fassen kann, wie viele (unsichtbare) Partikel in der Luft sind, dem sei gesagt, es ist tatsächlich so ;) In deutschen Städten können das gerne mal 10 Milliarden(!) Partikel pro Kubikmeter Luft sein. Wir haben hier heute im Freisinger Umland lediglich rund 25 Millionen Partikel pro m³ Luft gemessen, wobei gesagt werden muss, dass es natürlich noch Partikelzähler gibt, die auch die ultrafeinen Partikel (UP) kleiner als 0,1 µm erfassen können. Diese sind hier nicht mitgezählt, weil das Gerät dies schlichtweg nicht kann (und es für technische Anforderungen auch nicht können muss...)

    Zum Vergleich noch eine Messung im Büro, unmittelbar im Anschluss an die Fahrt: 0,3/0,5/1,0/2,5/5/10 µm:

    15554
    3576
    609
    55
    10
    3

    Auch hier "siegt" insgesamt der Touareg ;) Dass der Filter dennoch bei weitem nicht alle Partikel zurückzuhalten vermag, das zeigt sich bei einer Messung direkt an den Luftausströmern, die kaum besser Werte liefert, als der Messort in Kopfhöhe.

    Dennoch ist man wohl, so wie es ausschaut, im Touareg bei geschlossenen Fenstern und aktiver Lüftungsanlage noch am besten aufgehoben :top:

    Bitte beachtet, dass diese Messungen sich nur auf den Touareg 7 P beziehen und auch nur jeweils eine Momentaufnahme darstellen. Daraus eine wissenschaftliche und allgemein gültige Aussagekraft abzuleiten wäre falsch. Es zeigt lediglich, dass im Prinzip die Luftqualität im Fahrgastraum annähernd die der Außenluft entspricht und bei den Partikeln natürlich durch die Filterung noch ein Vorteil zu verbuchen ist. Annehmen darf man aber wohl, geschuldet der hohen Luftwechselrate im Fahrzeug, dass sich kaum eine signifikante Belastung durch ausdünstende Schadstoffe ergeben wird können. Während der Fahrt, wohlgemerkt und mit aktiver Lüftungsanlage...

    Grüße
    Robert

    2 Mal editiert, zuletzt von coala (25. Oktober 2013 um 15:48) aus folgendem Grund: Inhaltliche Ergänzung